Werden Schwangere gegen Influenza geimpft, profitieren besonders Neugeborene davon

Bei Frauen, deren Schwangerschaft in der Grippesaison weit fortgeschritten ist, kann eine Impfung erwogen werden. Damit lassen sich kardiopulmonale Grippe-Komplikationen vermeiden und auch Kinder schützen.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:

Schwangere haben ein erhöhtes Risiko für schwere Influenza-Komplikationen. Die Rate von Schwangeren, die bei Grippewellen in eine Klinik eingewiesen werden, ist daher erhöht. Schutz bietet eine Grippe-Impfung ab dem 2. Schwangerschaftstrimenon, wurde beim 3. Deutschen Influenza-Kongress in Erfurt berichtet. Die Impfung der Mutter nützt nach Studien zudem den Neugeborenen, die ebenfalls durch Influenza besonders gefährdet sind. Sie können in den ersten sechs Lebensmonaten nicht selbst gegen Influenza geimpft werden und profitieren in dieser Zeit offenbar von dem Nestschutz der durch die Impfung gebildeten mütterlichen Antikörper.

Besonders Frauen mit Diabetes oder anderen chronischen Krankheiten können von einer Grippe-Impfung profitieren.

Besonders Frauen mit Diabetes oder anderen chronischen Krankheiten können von einer Grippe-Impfung profitieren.

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Rate der Klinikeinweisungen fünffach erhöht

In einer Fallkontrollstudie in den USA war während mehrerer Grippesaisons das Risiko von Schwangeren für schwere kardiopulmonale Komplikationen, die eine stationäre Therapie erfordern, knapp fünffach erhöht, wie Professor Ulrich Heininger vom Universitäts-Kinderspital in Basel berichtet hat.

Die Rate von Klinikeinweisungen steigt dabei besonders im 2. und 3. Trimenon. In der retrospektiven Studie des Krankenversicherers Tennessee Medicaid waren Schwangere mit gleichaltrigen Frauen einer Kontrollgruppe verglichen worden. Daten von immerhin 2,6 Millionen Personenmonaten wurden dazu analysiert. Eine ähnliche Studie des US-Versicherers Kaiser Permanente hat zudem ergeben, dass das Risiko bei chronisch kranken Schwangeren noch einmal fünfmal höher ist als bei gesunden Schwangeren. Nach dieser Analyse mussten 20 bis 43 Frauen geimpft werden, um während der Schwangerschaft eine grippeähnliche Krankheit zu verhindern. Um eine Klinikeinweisung zu vermeiden, mussten danach 500 Schwangere geimpft werden.

Dass die Impfung Schwangeren und ihren Kindern nach der Geburt nützt, hat eine Studie in Bangladesch ergeben. In der Studie wurden 340 Schwangere nach dem Zufallsprinzip gegen Pneumokokken (Kontrollgruppe) oder gegen Influenza geimpft (NEJM 359, 2008, 1555). Anschließend wurden bei den Frauen und den Kindern bis 24 Wochen nach der Geburt alle Atemwegsinfektionen dokumentiert. In dem tropischen Land gibt es keine Grippesaison. Influenza tritt dort das ganze Jahr über auf.

Kinder geimpfter Mütter haben offenbar Nestschutz

Ergebnis: Besonders die Kinder profitierten von der Impfung ihrer Mütter, wobei nach Angaben von Heininger wahrscheinlich transplazentar zum Kind weitergegebene Antikörper einen Nestschutz hervorrufen. Laborbestätigte Influenza trat bei 6 Kindern in der Verumgruppe und bei 16 Kindern in der Kontrollgruppe auf, woraus sich eine Schutzwirkung der mütterlichen Impfung von 63 Prozent ergibt.

Knapp ein Drittel weniger Atemwegsinfekte

Insgesamt bekamen 110 Säuglinge in der Verumgruppe und 153 in der Kontrollgruppe in der Studie eine Atemwegserkrankung mit Fieber - dies bedeutet eine Reduktion der Krankheitsfälle bei Impfung um 29 Prozent. Bei den geimpften Müttern war die Rate von Atemwegserkrankungen mit Fieber um 36 Prozent reduziert. Insgesamt mussten nach den Studiendaten fünf Mütter geimpft werden, um bei einer Frau oder bei einem Säugling eine fieberhafte Atemwegsinfektion zu verhindern.

Eine Analyse der bisher verfügbaren spärlichen Studiendaten zur Sicherheit der Grippe-Impfung in der Schwangerschaft hat nach Angaben von Heininger zumindest im 2. und 3. Trimenon keine Bedenken ergeben. In den USA wird inzwischen die Influenza-Impfung allen Schwangeren ohne Einschränkung empfohlen, sagte der Kinderarzt.

Die Ständige Impfkommission ist bisher sehr vorsichtig und rät in einer Stellungnahme, dass Schwangere in begründeten Fällen ab dem 2. Trimenon gegen saisonale Grippe geimpft werden könnten. Besonders bei chronisch kranken Schwangeren, etwa mit Diabetes oder Asthma, sollte die Impfung erwogen werden, hieß es dazu in Erfurt.

Merkblatt des RKI zu Influenza inklusive den Impfempfehlungen unter www.rki.de "Infektionskrankheiten A-Z"

US-Empfehlungen für die Impfung Schwangerer unter: www.cdc.gov/vaccines/pubs/preg-guide.htm

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