Grippe-Impfung

Auch ein begrenzter Schutz ist besser als gar keiner!

Die Grippe-Impfraten gehen seit Jahren zurück, was an der begrenzten Wirksamkeit der Impfstoffe liegt. Der Schutz bleibt aber die beste Möglichkeit der Prävention. Das müssen Patienten wissen und außerdem, wie sie sich sonst noch schützen können.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Wirksamer Pieks: Immer weniger alte Menschen in Deutschland lassen sich gegen Influenza impfen.

Wirksamer Pieks: Immer weniger alte Menschen in Deutschland lassen sich gegen Influenza impfen.

© JPC-PROD / fotolia.com

Immer mehr Menschen in Deutschland verlieren das Vertrauen in die Grippe-Impfung. Die Impfraten in Risikogruppen sind seit Jahren im Sinkflug. So waren im Winter 2009/10 in Deutschland zum Beispiel noch knapp 48 Prozent der über 60-Jährigen gegen Influenza geimpft, in der Saison 2013/14 waren es fast zehn Prozent weniger, wie das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung ermittelt hat. Die von der WHO empfohlene Schutzrate von 75 Prozent bei alten Menschen ist damit in weite Ferne gerückt.

An den schwindenden Impfquoten haben auch die Appelle der Gesundheits-Organisationen nichts ändern können wie sie etwa Robert Koch- und Paul-Ehrlich-Institut oder auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung jeden Herbst verlauten lassen. Die Bevölkerung scheint mehr auf die Wirksamkeit von Jogurt auf die Abwehrkräfte zu bauen oder auch auf Mikronährstoffe. Und was besonders schwer wiegt: Vor allem Menschen in medizinischen Berufen stehen der Grippe-Impfung gleichgültig bis kritisch gegenüber. Sie gehören seit Jahren zu den Risikogruppen mit den geringsten Impfquoten. Für Ärzte, Pflegekräfte und Praxisteams sollte der Impfschutz eigentlich ein ethisches Gebot sein, um die anvertrauten Patienten nicht zu gefährden. Auch sollen sie den Risikogruppen die Impfung nahebringen.

Impfschutz ist auch in diesem Winter suboptimal

Das schwindende Vertrauen in den Influenza-Schutz rührt vor allem aus der relativ geringen Wirksamkeit der Impfung. Allgemein lassen sich damit nach Studiendaten 40 bis 60 Prozent der Impflinge vor einer echten Influenza schützen, berichtet das RKI. Die höheren Raten des Spektrums werden dabei eher in Saisons mit guter Übereinstimmung der Impfstämme mit den zirkulierenden Virus-Stämmen erreicht. In diesem Jahr ist allerdings trotz guter Abdeckung die Wirksamkeit der Impfstoffe eher gering. Das liegt an dem hauptsächlich zirkulierendem Subtyp Influenza A(H3N2), gegen den bereits in frühen Jahren der Impfschutz nicht optimal war. Dies hat sich nun auch in einer aktuellen Untersuchung bestätigt.

Erstmals hat das RKI nämlich in diesem Jahr die Effektivität der aktuellen Impfstoffe in Deutschland in einer laufenden Saison überprüft (Epi Bull 2017; 6: 61). Dazu wurden Daten und Proben von bundesweit 1368 Patienten mit grippetypischen Symptomen ("influenza-like illness", ILI) aus der aktuellen Grippesaison analysiert. Bei gut einem Drittel ließ sich dabei eine A(H3N2)-Influenza-Infektion sichern ("Fall-Patienten"), bei knapp zwei Dritteln war der Test auf die Influenza-Viren negativ ("Kontrollen"). Das Ergebnis: Acht Prozent der Fall-Patienten und elf Prozent der Kontrollen waren geimpft. Es ließ sich insgesamt eine Effektivität der saisonalen Impfstoffe gegen Influenza A(H3N2) von 41 Prozent für alle Altersgruppen ermitteln. Bei der wichtigen Zielgruppe von Menschen ab 60 Jahren deutet sich zudem eine geringere Schutzwirkung an. Der Effekt könne aufgrund der Datenlage aber noch nicht valide bestimmt werden. Erst mit dem Fortschreiten der Influenza-Saison werden genauere Schätzungen möglich. Unterm Strich ist das Ergebnis allerdings klar: Weniger als jeder zweite Impfling hat in diesem Jahr den Schutz. Und bei alten und multimorbiden Menschen ist die Wirksamkeit der Impfung noch deutlich geringer.

Wichtig ist eine realistische Aufklärung

Um das Vertrauen in die Impfung zu verbessern, müssen Impflinge über die begrenzte Wirksamkeit aufgeklärt werden. Und darüber hinaus: Auch ein geringer Schutz gegen eine potenziell tödliche Krankheit ist besser als gar keiner. Aufgrund der Häufigkeit von Influenza kann zudem durch die Impfung eine große Zahl an Erkrankungen verhindert werden. Der Impfschutz ist daher die beste Präventionsmaßnahme auf Bevölkerungsebene, betont das RKI. Auch jetzt in der fortgeschrittenen Grippe-Saison appelliert das Institut noch an Ärzte, Risikogruppen zu impfen. Grundsätzlich sollte Menschen aus diesen Gruppen weitere präventive Maßnahmen eingeschärft werden. Dazu gehört zum Beispiel regelmäßiges gründliches Händewaschen oder, sich von Menschen mit Atemwegsinfektionen fernzuhalten.

Während einer Grippewelle muss zudem auch bei geimpften Menschen mit typischen Symptomen an Influenza gedacht werden. Dies gilt besonders für Menschen aus Risikogruppen wie Schwangere, alte Menschen sowie chronisch Kranke, die ein besonders hohes Risiko für Komplikationen haben. Zu beachten ist zudem: Im höheren Alter ist die Symptomatik häufig nicht so typisch wie bei jungen Erwachsenen oder bei Kindern, vor allem das Fieber kann bei ihnen als Leitsymptom fehlen. Bei Verdacht auf einen schweren Influenza-Verlauf oder bei erkrankten Risikopatienten mit erhöhtem Risiko für schwere Komplikationen sollte zudem eine antivirale Therapie erwogen werden, so das RKI.

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