Schweinestall

Multiresistente Keime ausgemistet

Multiresistente Bakterien sind in der Tierhaltung ein großes Problem. Einem Landwirt ist es jetzt gemeinsam mit Forschern gelungen, seinen Schweinebetrieb komplett von solchen Erregern zu befreien.

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Entnahme mikrobieller Proben: Dr. Ricarda Schmithausen überprüft die Desinfektions-Maßnahmen.

Entnahme mikrobieller Proben: Dr. Ricarda Schmithausen überprüft die Desinfektions-Maßnahmen.

© Schmithausen/Uni Bonn

BONN. Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung und die Verbreitung multiresistenter Keime entlang der tierischen Produktionskette werden als eine Ursache der zunehmenden Verbreitung multiresistenter Keime bei Menschen angenommen.

So wurden in vielen Studien multiresistente Bakterien in Tierbeständen nachgewiesen, insbesondere bei Schweinebetrieben. Besonderes Augenmerk gilt dabei Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) sowie den Extended Spectrum Beta-Lactamase-bildenden Enterobakterien (ESBL-E).

Die multiresistenten Keime können dabei auf Menschen im Umfeld der landwirtschaftlichen Betriebe übertragen werden oder auch über die Fleischprodukte .

Erstmals ist nun Forschern mehrerer Institutionen der Nachweis gelungen, dass sich multiresistente Bakterien komplett aus einem Stall entfernen lassen, teilt die Universität Bonn mit.

"Allerdings dürften sich die vorgenommenen radikalen Maßnahmen in den wenigsten Fällen umsetzen anderswo lassen", wird die Erstautorin der Studie, Dr. Ricarda Schmithausen von der Universität Bonn in der Mitteilung zitiert.

Für die Sanierung wurden nämlich die Stallungen des Landwirtes kernsaniert und teilweise durch Neubauten ergänzt. Diese Maßnahmen wurden von einem mehrstufigen Desinfektionsverfahren begleitet (Appl Environ Microbiol 2015, online 4. September).

Tierbestand neu aufgebaut

Im laufenden Betrieb wäre das unmöglich gewesen, so die Ärztin und Agrarwissenschaftlerin. Der Landwirt hatte zuvor aufgrund einer Betriebsumstellung seinen gesamten Tierbestand schlachten lassen und danach neu aufgebaut.

Stichproben der neuen Tiere wurden getestet, um das Einschleppen neuer resistenter Keime zu verhindern. Dazu wurden Abstriche von den Schweinen, aus Luft, Wasser und Staub sowie von Haustieren und Menschen auf dem Hof untersucht.

So konnten die Forscher nachweisen, dass die vor der Maßnahme vorhandenen MRSA und ESBL-E-Keime vollständig eliminiert worden waren. Die Maßnahmen seien erfolgreich gewesen, sagt Schmithausen: "Noch heute - zwei Jahre nach der Sanierung - ist der Betrieb ESBL-frei.

Bei den MRSA sehe es leider anders aus: Hier konnte der Keim, allerdings in einer anderen Variante, schon nach zwei Tagen wieder nachgewiesen werden. "Vermutlich wurde der neue MRSA durch eines der Tiere eingeschleppt. Dies ist nicht immer zu vermeiden", so Schmithausen.

Auch ein Mitarbeiter des Hofes, der bereits vor der Desinfektion mit MRSA kolonisiert war, sei zwei Monate nach der Dekontamination ebenfalls mit dem neuen MRSA-Stamm der Schweine kolonisiert gewesen. Dennoch hätte sich der Gesundheitszustand des Bestands deutlich verbessert; Antibiotika seien kaum noch nötig.

Landwirte häufiger mit MRSA besiedelt

Die MRSA sind für Tiere weitgehend ungefährlich und in erster Linie Krankheitserreger nur beim Menschen.

Studien haben ergeben, dass Landwirte aufgrund des engen Kontaktes zu Tieren häufiger mit MRSA besiedelt sind als die Allgemeinbevölkerung.

Meist bleibt diese Besiedlung jedoch auch für die Menschen symptomlos. Bedroht sind vor allem immungeschwächte Patienten in Krankenhäusern und Pflegeheimen.

Die Agrarwissenschaftlerin bricht jedoch eine Lanze für die Landwirte. "Die meisten Betriebe, mit denen wir zu tun haben, haben extrem hohe Hygienestandards, sind gut informiert und gehen sehr verantwortungsvoll mit dem Problem um - zum Teil professioneller als manche Krankenhäuser", betont sie.

 Das Ausbreitungsrisiko von MRSA und ESBL-E lasse sich durch eine Kombination mehrerer Maßnahmen minimieren, aber nicht auf Null senken.

"Krankenhäuser und Tierbetriebe haben an vielen Punkten mit ähnlichen Problemen zu kämpfen", sagt sie. "Beide Seiten sollten voneinander lernen - Kliniken könnten stationäre Patienten zum Beispiel noch konsequenter auf multiresistente Keime screenen." (eb/eis)

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