Vor allem verzögerte Emesis macht Krebspatienten zu schaffen

STUTTGART (ars). Tumorpatienten fürchten Emesis infolge einer Zytostatika-Therapie zum Teil mehr als Haarausfall oder Klinikaufenthalt. Die verzögerte Emesis kommt dabei fast doppelt so häufig vor wie die akute. Für beide Formen der Emesis gibt es inzwischen effektive Kombitherapien.

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Einer Studie zufolge treten in den fünf Tagen nach Applikation eines Zytostatikums Übelkeit und Erbrechen wenigstens einmal bei 65 Prozent der Therapiezyklen auf, und das trotz Standardprophylaxe.

Verzögerte Emesis beginnt zwei bis fünf Tage nach Therapiestart

Die Emesis folgt dabei einem zweiphasischen Muster: Akute Beschwerden treten binnen 24 Stunden nach Applikation des Zytostatikums auf, die verzögerten während des zweiten bis fünften Tages. Onkologen und Pflegepersonen haben zwar eine realistische Vorstellung von der Häufigkeit der akuten Emesis, die verzögerte Emesis aber unterschätzen sie massiv, hat eine Studie ergeben (Cancer 100, 2004, 2261).

In der Studie litten in dieser zweiten Phase 60 Prozent der Krebs-Patienten an Übelkeit. Ärzte und Pflegepersonen jedoch nahmen dies nur bei 38 Prozent wahr, hat Dr. Florian Lordick bei einem Workshop des Unternehmens MSD in Stuttgart berichtet. Die Patienten hielten sich während der verzögerten Phase meist zu Hause auf und erwähnten im nachhinein ihre Beschwerden oft nicht, so der Onkologe von der TU München.

Die Stärke der Symptome wird gesteuert durch die emetogene Potenz der Zytostatika. Treten akute Beschwerden auf, dann kommt es zweimal häufiger auch zu einer verzögerten Emesis als wenn vorher nichts vorgefallen ist.

Bei Frauen mit Mammakarzinom ist die Wahrscheinlichkeit einer Emesis bei hochaggressiven Tumoren, ausgedehnter Metastasierung und im späten Stadium erhöht. Allgemein sind Frauen anfälliger als Männer. Weitere Risikofaktoren sind Ängstlichkeit, Alter unter 50 Jahre, geringer Alkoholkonsum, Schwangerschafts-Emesis und Reisekrankheit in der Vorgeschichte.

Zur Prävention der akuten Symptome empfiehlt ein neuer Konsens eine Dreierkombination aus einem Typ-3-Serotoninrezeptor-Antagonisten, Aprepitant (Emend®) und Dexamethason (Support Care Cancer 13, 2005, 85).

Aprepitant blockiert selektiv den Rezeptor für Neurokinin 1. Zur Prophylaxe der verzögerten Emesis wird zu einer Zweierkombination mit Dexamethason und Aprepitant geraten, wenn zuvor die Dreierkombination gegen die akute Emesis verwendet worden war.

Aprepitant wurde im November 2003 zur Vorbeugung der akuten und verzögerten Emesis bei hochemetogener, auf Cisplatin basierender Chemotherapie zugelassen.

Denn bei zwei Phase-III-Studien hatte sich herausgestellt, daß die Dreierkombination die Emesis-Häufigkeit im Vergleich zur Standardtherapie mit nur Dexamethason und einem Serotonin-Antagonisten signifikant vermindert: Die Rate des kompletten Ansprechens war in der akuten Phase mit den drei Wirkstoffen um 13 Prozent höher, in der verzögerten Phase um 20 Prozent.

Vor allem hielt der Schutzeffekt über mehrere Therapiezyklen an. Dabei war Aprepitant gut verträglich. Als unerwünschte Effekte kamen besonders Müdigkeit und Schluckauf vor.

Inzwischen wurde nach Angaben von Lordick ein Antrag auf Erweiterung der Zulassung von Aprepitant für eine moderat emetogene Chemotherapie gestellt.



Übelkeit und Erbrechen als Schutzreflex

Entwicklungsgeschichtlich sind Übelkeit und Erbrechen Schutzreflexe, die eine Resorption aufgenommener Gifte verhindern. Zytostatika erzeugen diese Symptome wahrscheinlich dadurch, daß sie die Chemorezeptoren in der Medulla oblongata sowie die Rezeptoren im Gastrointestinaltrakt stimulieren, die wiederum das Brechzentrum reizen.

Weitere Auslöser können eine mechanische Dehnung von Magen und Darm sein, ferner optische, sensorische und vestibuläre Signale sowie psychische Faktoren. Die emetogenen Bahnen werden durch Neurotransmitter wie Serotonin und Substanz P beeinflußt, die auch durch eine Chemotherapie in Darm und Gehirn freigesetzt werden. Substanz P, ein Neuropeptid, bindet spezifisch an den Neurokinin-1-Rezeptor. (ars)

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