Protonentherapie gegen Krebs gibt es demnächst in München

MÜNCHEN (wst). In der Radiotherapie gegen bösartige Tumoren erwächst der konventionellen Röntgenbestrahlung Konkurrenz: Protonenstrahlen sollen den Tumor millimetergenau treffen und das gesunde umgebende Gewebe weniger belasten, als dies mit anderen bisher verfügbaren therapeutischen Bestrahlungstechniken möglich ist.

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Das europaweit erste vollklinische Protonentherapie-Zentrum wird voraussichtlich Mitte Februar in München in Betrieb genommen. Privatdozent Hans Rinecker ist Hausherr des "Rinecker Proton Therapy Center" (RPTC).

Was ist der Unterschied zwischen Röntgen- und Protonentherapie? Bei den von einer externen Quelle emittierten herkömmlichen Röntgenstrahlen (elektromagnetische Wellen) nimmt die Dosis mit zunehmender Eindringtiefe ab. So wird gesundes Gewebe vor dem Tumor einer höheren Dosis ausgesetzt als der Tumor selbst.

Auch hinter den Tumor gelangen Strahlen. Um die Strahlendosis im Tumor möglichst hoch und im umgebenden Gewebe möglichst niedrig zu halten, wird der Tumor überlappend aus verschiedenen Richtungen bestrahlt. Trotz dieser Strategie können nicht immer so hohe Strahlendosen wie gewünscht verabreicht werden, weil umliegendes Gewebe zu stark geschädigt würde.

    Die Protonen erreichen bis zu 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit.
   

Anders bei der Protonentherapie, so Rinecker. Mit einer insgesamt etwa 150 Tonnen schweren, beweglichen Zielvorrichtung (Gantry) können Protonen (positiv geladene Atomkernteilchen) an jeder Stelle im Körper punktgenau auf den Tumor gerichtet werden. Der Patient liegt dabei in einer Konturmatratze, die seinen Körper fixiert.

In einem Hochleistungs-Zyklotron werden die Protonen auf 180 000 km/Sekunde beschleunigt - das sind etwa 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Der Protonenstrahl läßt sich so manipulieren, daß er das Maximum seiner Energie im Tumor entfaltet.

Dadurch wird vor dem Tumor liegendes gesundes Gewebe Rineckers Angaben zufolge deutlich schwächer belastet als bei Röntgenstrahlen, und nachgelagertes gesundes Gewebe schon nach wenigen Zentimetern oder gar Millimetern überhaupt nicht mehr (Stop-Effekt der Protonen).

Bei ähnlicher Dosis im Tumor ist die Gesamtstrahlendosis im gesunden Gewebe deshalb bei der Protonentherapie um den Faktor drei bis fünf geringer als mit einer herkömmlichen Röntgenbestrahlung.

Dennoch wird die Protonentherapie von Radioonkologen kontrovers diskutiert, etwa mit dem Argument, daß tiefer im Körper liegende Tumoren mit dieser Methode nur ungenügend erreichbar seien. Eine solche Limitierung treffe jedoch nur für ältere, leistungsschwächere Protonenstrahleinrichtungen zu, so Rinecker. Die in seiner Anlage auf 180 000 km/Sekunde beschleunigten Protonen können bis 38 Zentimeter in den Körper eindringen.

Durch Lagerung des Patienten und Zieleinstellung sei damit jeder Tumor erreichbar. Lediglich wenn eine möglichst großflächige Bestrahlung erwünscht ist, etwa bei malignen Lymphomen, bringe eine Protonentherapie im Vergleich zur konventionellen Röntgenstrahlentherapie keinen Vorteil.

Ansonst sei die Protonentherapie mindestens so wirksam wie die Röntgenbestrahlung. Lediglich eine noch ungenügende Verfügbarkeit der Protonentherapie rechtfertige noch den breiten Einsatz der Röntgenbestrahlung, so Rinecker.

Mit den fünf Behandlungsräumen (vier mit je einer Gantry, einer mit "Fixed-Beam"-Therapieplatz speziell für Tumoren im Augen- und Schädelbereich) ist das Münchener Protonentherapie-Zentrum für jährlich bis zu 4000 Patienten ausgelegt. Der Grundstein für ein zweites Zentrum, das "Rhein Proton Therapy Center" in Köln, wurde im Mai 2005 gelegt. Ein drittes Zentrum unter Rineckers Federführung ist in Leipzig geplant.

Seit den 1950er Jahren erhielten weltweit mehr als 40 000 Krebspatienten eine Protonentherapie. Rinecker hat die Therapie leicht verständlich in seinem Buch "Protonentherapie - Neue Chancen bei Krebs" (Herbig Verlag 2005, 26,00 Euro, ISBN 3-7766-2422-1) beschrieben.

Weitere Infos im Internet unter: www.rptc.de

So gewinnt man die Protonen

Protonen für eine Strahlungssitzung werden aus Wasserstoffgas gewonnen. Für eine Sitzung bedarf es eines Wasserstoffgas-Volumens, das kleiner ist als eine Champagnerperle. Das Wasserstoffgas wird zunächst in die faustgroße Ionisierungskammer des RPTC geleitet, in der die Elektronen von den Wasserstoffatomen getrennt werden. Übrig bleiben die Protonen. Sie werden im Zyklotron auf 180 000 km/Sekunde beschleunigt. In dem etwa 160 Meter langen luftleeren Strahlrohr wird der Protonenstrahl an den fünf hintereinander liegenden Therapieplätzen vorbei geführt. Ultrastarke Elektromagneten entlang des Rohrs sorgen dafür, daß der Protonenstrahl gebündelt und in der gewünschten Richtung bleibt. Biegemagneten leiten den Protonenstrahl vom Hauptstrahlrohr in die aktive Zielvorrichtung (Gantry) des gewünschten Behandlungsplatzes ab. (wst)

Lesen Sie dazu auch: Protonentherapie-Zentrum für Krebspatienten vor dem Start

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