Hintergrund

Der Nobelpreis 2008 setzt ein Zeichen für die Prävention und Therapie von Infektionen

Harald zur Hausen, Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier: Diese drei Virusforscher werden in diesem Jahr mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Sie haben Viren als Ursache für schwerwiegende Krankheiten entdeckt: Zervixkarzinom und Aids.

Von Angela Speth Veröffentlicht:

Infektionskrankheiten sind nach wie vor ein Thema, das in der Medizin weit oben steht. Und zwar Infektionen durch Viren - das macht die Wahl der Preisträger deutlich. Die Entstehung von Krebsarten aus Virusinfektionen war das spezielle Forschungsgebiet von Professor Harald zur Hausen.

Im Jahre 1976 überraschte er die Fachwelt mit der Hypothese, dass Humane Papillomaviren (HPV) das Zervixkarzinom verursachen. HPV sind eine heterogene Gruppe von Viren, etwa 100 Typen sind bekannt, 40 infizieren den Genitaltrakt, etwa 15 davon sind Hochrisikoviren für das Zervixkarzinom.

Aus zur Hausens Verdacht wurde bald Gewissheit: Anfang der 1980er-Jahre isolierten er und seine Arbeitsgruppe aus Proben von Gebärmutterhalstumoren die bis dahin unbekannten Virustypen HPV 16 und 18. Schließlich gelang es ihnen, die Mechanismen aufzuklären, die von der Infektion zur Karzinogenese führen. HPV bauen ihre Erbinformation in die Zell-DNA ein. Dort können sie in einer nicht-reproduktiven Form existieren und die Zellproliferation vorantreiben, wie sich mit speziellen Methoden herausstellte.

Im Jahr 1984 klonten sie HPV 16 und 18 aus Tumoren von Patienten. Diese beiden Typen sind weltweit in etwa 70 Prozent aller Tumorbiopsien nachweisbar, HPV allgemein in fast allen histologisch bestätigten Zervixkarzinomen.

An diese Entdeckung knüpfte sich bald die Vision einer präventiven Impfung. Inzwischen sind zwei Impfstoffe auf den Markt gekommen, sie liefern einen mehr als 95-pozentigen Schutz vor Infektionen. HPV-Infektionen sind global gesehen von großer Tragweite. Mehr als fünf Prozent aller Krebserkrankungen werden durch Persistieren des Virus im Gewebe verursacht. Bis zu 80 Prozent der Menschen stecken sich mit HPV an, es ist die häufigste sexuell übertragbare Infektion, allerdings erkrankt nur ein Teil der Infizierten am Karzinom.

Basis für Diagnose, Impfung und Therapie.

Einer weiteren schwerwiegenden Infektion auf die Spur gekommen zu sein ist Verdienst von Francoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier: demhumanen Immunschwäche-Virus HIV, dem Auslöser von Aids. Weltweit sind etwa ein Prozent der Bevölkerung daran erkrankt. Die französischen Forscher fanden das Virus in Lymphozyten aus Lymphknoten und im Blut, in frühen und späten Stadien. Sie wiesen all das nach, was heute Allgemeinwissen ist: dass das Enzym Reverse Transkriptase ein direktes Zeichen der Virusreplikation ist. Dass Partikel des Retrovirus aus den Zellen durch Knospung freigesetzt werden. Dass HIV nach seinen morphologischen, biochemischen und immunologischen Eigenschaften der erste bekannte Lentivirus ist. Dass er das Immunsystem durch seine massive Replikation schwächt, indem er die Lymphozyten schädigt. Dass isolierte Viren Lymphozyten von gesunden und kranken Spendern abtöten und mit Antikörpern von infizierten Patienten reagieren. Dass die Viren für ihre Replikation die Zellen aktivieren und die Fusion von T-Lymphozyten fördern. Das erklärt zumindest zum Teil, wie HIV das Immunsystem unterdrückt.

Ihre Bedeutung gewinnen diese Entdeckungen daraus, dass sie ein schnelles Klonen von HIV ermöglichten. Das wiederum erlaubte es, Details der Replikation und die Interaktion mit dem Wirt zu untersuchen. Und es ließen sich Diagnosemethoden für Patienten und Blutprodukte entwickeln - und vor allem Virostatika. Damit war es möglich, die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen und die Lebenserwartung der Patienten zu verlängern. Und die Herkunft des Virus zu erforschen: In den 1920-er Jahren ist es in West-Afrika von Schimpansen auf Menschen übergegangen.

Viren und Krebs

Viren spielen nicht nur beim Gebärmutterhalskrebs eine Rolle. Nach zur Hausens Einschätzung wird etwa jede fünfte Krebserkrankung durch Infektionen hervorgerufen. Diese Zahl ist seiner Einschätzung nach nur die Untergrenze, der Anteil sei möglicherweise noch deutlich größer. So werden etwa Hepatitis-B-Viren mit Leberkrebs und Epstein-Barr-Viren mit Tumoren im Nasen- und Rachenbereich in Verbindung gebracht. Für einige der Erreger gibt es mittlerweile vorbeugende Impfstoffe.

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