Fukushima

Mehr Kinder mit Schilddrüsenkrebs

Drei Jahre nach der Atomkatastrophe in Fukushima zeigen sich die gesundheitlichen Folgen in der kontaminierten Region: Schilddrüsenkrebs ist auf dem Vormarsch. Diagnose und Behandlung von Kranken sind indes für Ärzte ein Hindernislauf.

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Schilddrüsenscreening in einer Klinik in Fukushima: 33 Fälle in der Altersklasse der bis 18-Jährigen wurden festgestellt.

Schilddrüsenscreening in einer Klinik in Fukushima: 33 Fälle in der Altersklasse der bis 18-Jährigen wurden festgestellt.

© Ian Thomas Ash

BERLIN. Ärzten in Japan wird die Behandlung von Patienten, die Schäden einer Strahlenbelastung fürchten, schwer gemacht. Krankenkassen und Fachgesellschaften sträuben sich gegen weitergehende Untersuchungsbemühungen. Das teilte die atomkritische Ärztevereinigung IPPNW am Montag in Berlin mit.

Behandler müssten oft selbst einen Weg finden, wie sie ihre Leistungen bezahlt bekommen. Es herrsche große Unsicherheit, berichteten die Ärzte.

Gesundheitliche Auswirkungen zeigen sich nach und nach

Knapp drei Jahre sind nun seit dem Unglück im Atomkraftwerk in der japanischen Präfektur Fukushima vergangen. Die gesundheitlichen Auswirkungen zeichnen sich allerdings erst heute nach und nach ab: Bei 33 von etwa 270.000 untersuchten Kindern bis 18 Jahre wurde Schilddrüsenkrebs diagnostiziert, teilt die Ärztevereinigung mit.

 Das entspräche einer Prävalenz von 13 Fällen pro 100.000 Einwohner. Vor der Nuklearkatastrophe habe die Neuerkrankungsrate noch bei 0,35 Fällen pro 100.000 Einwohner gelegen.

Daran lasse sich der anhaltende Ernst der Lage erkennen. "Unter Kindern ist das eine höchst seltene Kankheit", berichtet Ärztin Dr. Angelika Claußen, die ehemalige Vorsitzende der deutschen IPPNW-Sektion ist.

Wobei Experten noch diskutieren, inwieweit der Anstieg nicht auch den Screenings geschuldet ist, die nun wesentlich häufiger durchgeführt würden. Bei den Screenings und weiterführenden Untersuchungen hätten es Arzt und Patient indes mit einigen Hürden zu tun.

Screenings dürften nur Ärzte machen, die speziell von der Präfektur ernannt würden. Wollten Patienten eine zweite Meinung, werde es schwierig: Weitere Behandlungen würden von den Kostenträgern oft nicht übernommen.

Hinzu komme: Fachgesellschaften würden in der Kommunikation nach außen gegen weiterführende Untersuchungen anreden. "Wer nicht sucht, findet auch nicht", würde als Motto der Behörden gelten. Ärzte stehen so unter massivem Druck, konstatierte Claußen.

"Mauer des höflichen Schweigens"

Auch die gesundheitliche Situation der Aufräumarbeiter in der Ruine des havarierten Atomkraftwerks Fukushima Daiichi sei alarmierend. "Nur 15 Prozent der Arbeiter sind beim Energieunternehmen Tepco beschäftigt und erhalten eine ausreichende Versorgung", berichtete Claußen.

Die verbleibenden 85 Prozent wären Tagelöhner, die bei Subunternehmen beschäftigt seien. Sie würden häufig ohne regelmäßige Untersuchungen auskommen müssen. Berichtet wird über diese Missstände in Japan nach Meinung der Experten nur unzureichend.

Im Land herrsche rund um das Thema eine "Mauer des höflichen Schweigens", verdeutlichte Claußen. Zahlen zu den Opfern der Strahlenbelastung würden zurückgehalten oder würden nur wenig den realen Verhältnissen entsprechen.

Dafür sorge unter anderem auch das im letzten Jahr von Premierminister Schinzo Abe erlassene Gesetz zum "Schutz besonderer Geheimnisse". Es mache den Verrat von Geheimnissen sanktionsfähig. Wobei das Gesetz nicht klar definiert, was genau ein solches Geheimnis ist.

Den Bürgern helfe das wenig. Für sie gelte: "Es gibt nur ein Leben mit der Verstrahlung und nicht nach ihr", konkludierte Claußen. (mh)

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