DKFZ

Den Krebs im Kern besiegen

Krebs verbreitet in der Bevölkerung Angst und Schrecken - doch das muss nicht sein, findet der Chef des Deutschen Krebsforschungszentrums. Denn: Die Heilungschancen in Deutschland seien viel höher als von den meisten angenommen. Und um sie noch weiter zu verbessern, blasen die Forscher zur Attacke auf das Krebsgenom.

Von Marco Hübner Veröffentlicht:
Das Hauptgebäude des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg.

Das Hauptgebäude des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg.

© Wittek / dpa

BERLIN. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg gibt es jetzt ein halbes Jahrhundert. Ursprünglich lag das Hauptaugenmerk der Wissenschaftler auf der Grundlagenforschung. Nun drehe sich der Wind.

"Ein Paradigmenwechsel hat sich mittlerweile vollzogen", sagte Professor Otmar D. Wiestler, Vorstandsvorsitzender und Wissenschaftlicher Vorstand des DKFZ, am Mittwoch.

Heilungschancen höher als angenommen

500.000 Menschen in Deutschland erkranken pro Jahr neu an Krebs. Jeder Zweite von ihnen könne heute geheilt werden. Die Heilungschancen für Krebspatienten sind aus Expertensicht somit höher als von der Bevölkerung angenommen.

Krebs zähle zu den Krankheiten, die besonders viel Angst und Schrecken verbreiteten, sagte Wiestler der Nachrichtenagentur dpa. "Heute ist es aber so, dass dieses sehr negative Image von Krebskrankheiten bei Weitem nicht mehr gerechtfertigt ist." Verglichen mit der Gefährlichkeit von Alzheimer sei die öffentliche Wahrnehmung von Krebs falsch, betonte der DKFZ-Chef.

Künftig wollen sich die DKFZ-Forscher verstärkt darum kümmern, die Heilungschancen der Krebspatienten zu erhöhen. Eine entscheidende Rolle spiele dabei die Erforschung des Krebsgenoms zur Fortentwicklung der stratifizieren Medizin, so Wiestler.

Heute betreibt das Zentrum nach eigenen Angaben die zweitgrößte Sequenziereinheit für Erbgut in Europa. Dieses habe bereits mehr als nur Fiktion vorzuweisen, sagte Wiestler.

Pilotprojekt hilft Kindern

In einem Pilotprojekt mit dem Namen "Individualisierte Therapie für Rückfälle von bösartigen Tumoren bei Kindern" (INFORM) wurde gesundes Erbgut von Kindern analysiert. Verglichen mit der Erbinformation ihres vom Krebs veränderten Gewebes konnten spezifische Unterschiede der Gensequenz dargestellt werden.

Das habe ermöglicht, die Kinder mit Medikamenten zu behandeln, die gezielt Tumorzellen angreifen. "In der Pilotphase haben wir mittlerweile etwa 20 Patienten untersucht", berichtete Professor Christof von Kalle, vom DKFZ.

Bei der Mehrheit der jungen Patienten seien Medikamente gefunden worden, die genau auf die Situation im Tumor passten. Erste Erfolge hätten dabei gezeigt, dass Tumore kleiner wurden, die sich zuvor durch eine konventionelle Therapie nicht mehr aufhalten ließen, sagte von Kalle.

Weitere Erkenntnisse zu den Chancen und Herausforderungen dieser neuen Therapieform solle das kürzlich gestartete INFORM-Projekt in absehbarer Zeit liefern, teilt das DKFZ mit.

In Deutschland würden von dieser Behandlungsform jedes Jahr etwa 500 krebskranke Kinder profitieren können. Dreiviertel aller Fälle von Krebs sei bei Kindern zwar dauerhaft heilbar.

Erleiden diese jedoch einen Rückfall, bestehe nur in den wenigsten Fällen eine Aussicht auf Heilung. Weil der Krebs in mutierter Form zurückkehre, würden zuvor wirksame Medikamente versagen. Bislang hätten Kinder nur bei weinigen Krebsarten, wie der akuten Leukämie, eine zweite Chance.

Bundesforschungsministerin Professor Johanna Wanka will das "Flaggschiff der deutschen Krebsforschung" auch künftig nicht auf dem Trockenen wissen. Deutlich mehr als 200 Millionen Euro würden vom Bund für Forschung gegen die Volkskrankheit Krebs in diesem Jahr ausgegeben.

"Vermeidung, Erkennung und Behandlung von Krebs ist ein herausragendes gesundheitspolitisches Ziel", betonte Wanka. Sie bezeichnete das DKFZ als erfolgreichstes Zentrum für Gesundheitsforschung in Europa und darüber hinaus.

Deutsche zurückhaltend bei HPV-Impfung

2008 wurde die Arbeit der Forscher bereits gekrönt. Prof. Harald zur Hausen erhielt den Nobelpreis für Medizin. Er entdeckte, dass humane Papillomviren (HPV) den Gebärmutterhalskrebs auslösen. Dies sei ein International bedeutsamer Schritt in der Krebs-Prävention gewesen.

Bis heute seinen weltweit 200 Millionen Mädchen gegen das Virus geimpft worden. "Die Deutschen sind jedoch bei der Vorsorgemaßnahme leider zu zurückhaltend", kommentiert Wiestler.

Insgesamt arbeiten 3000 Mitarbeiter in 90 Abteilungen im Zentrum in Heidelberg. Knapp 1000 Wissenschaftler erforschen dort, wie Krebs entsteht, welche Risikofaktoren es gibt und wie das Ausbrechen der Krankheit verhindert werden kann.

Zu Wasser gelassen wurde das Flagschiff der Krebsforschung am 28. Januar 1964 von der Landesregierung Baden-Württemberg.

Finanziert wird es heute von zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land. Einer der kommenden Höhepunkte im Jubiläumsjahr wird der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel am 23. April sein.

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