Leukämie

Stammzell-Blockade gegen Metastasierung

Forscher haben Krebsstammzellen bei Leukämien und vielen soliden Tumoren mit Biomarkern identifizieren können. Man erhofft sich dadurch Fortschritte in der Therapie.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:
Ein neuer Ansatz: Die Suche nach metastaseninduzierenden Stammzellen bei Krebspatienten.

Ein neuer Ansatz: Die Suche nach metastaseninduzierenden Stammzellen bei Krebspatienten.

© Matthew Jones/Thinkstock

HEIDELBERG. "Wir müssen uns künftig sowohl für das Verständnis von Krebskrankheiten als auch für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden sehr viel stärker auf die Krebs-Stammzellen konzentrieren". Das hatte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Professor Otmar D. Wiestler kurz vor seinem Amtsantritt als DKFZ-Chef vor einem Jahrzehnt in einem Interview mit der "Ärzte Zeitung" gesagt.

Unter der Leitung Wiestlers wurde der Bereich der Stammzellforschung am DKFZ, das jetzt sein 50. Jubiläum begeht, konsequent ausgebaut. Dafür konnte der renommierte Stammzellforscher Professor Andreas Trumpp gewonnen werden, der am DKFZ von 2008 an einen Schwerpunkt zur Erforschung der Krebsstammzellen aufgebaut hat.

Um die Ergebnisse der Forschung an der Abteilung "Stammzellen und Krebs" schnellstmöglich für die Krebsmedizin nutzbar zu machen, wurde vor fünf Jahren das Heidelberger Institut für Stammzelltechnologie und Experimentelle Medizin (HI-STEM) als Public Private Partnership gemeinsam vom DKFZ und der Dietmar Hopp Stiftung gegründet.

Philosophie des Instituts ist es, Grundlagenforschung mit der Krebsmedizin zu verbinden, sagte Stammzell-Forscher und HI-STEM Geschäftsführer Professor Andreas Trumpp in Heidelberg. Die Forscher haben Krebsstammzellen bei Leukämien und auch bei vielen soliden Tumoren wie Brust-, Eierstock-, Nieren- und Pankreaskrebs mit Biomarkern identifizieren können.

Metastasen werden induziert

Ihren Fokus richten sie auf die Fähigkeit der Stammzellen, sich durch ihr Nischendasein und ihren vorübergehenden schlafähnlichen Zustand herkömmlichen Chemotherapien zu entziehen und nach zunächst erfolgreicher Therapie Metastasen zu induzieren.

"Wir müssen in der Tumortherapie auch die Krebsstammzellen treffen und eliminieren, um fortgeschrittene metastasierte Krebserkrankungen heilen zu können", so Trumpp.

In fünfjähriger Forschungsarbeit zusammen mit dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg ist es den Stammzellforschern gelungen, im Blut von Brustkrebspatientinnen mit einer Metastasierung zirkulierende Tumorzellen mit Stammzelleigenschaften nachzuweisen, die Metastasen hervorrufen können.

Die Anzahl dieser Zellen schwankt Trumpp zufolge von Patientin zu Patientin sehr stark und korreliert mit dem Überleben.

Weisen die Patientinnen nur wenige dieser Zellen im Blut auf, haben sie trotz Metastasierung eine sehr gute Prognose. Bei hoher Anzahl ist die Prognose extrem schlecht. Die Forscher haben diese Zellen charakterisiert und drei spezifische Oberflächenproteine, nämlich CD44, CD47 und MET entdeckt.

Ihr Nachweis könnte zu einer spezifischeren Diagnostik der metastaseninduzierenden Stammzellen führen und therapeutisch genutzt werden, indem diese mit Antikörpern gezielt blockiert werden. Daran arbeiten die Forscher gemeinsam mit der Industrie.

Mit aufwendigen Expressionsanalysen des Tumormaterials von mehr als 200 Patienten mit Pankreas-Ca konnten die Heidelberger Forscher zeigen, dass es sich bei diesem Karzinom um mindestens drei unterschiedliche Erkrankungen handelt, beschrieb Trumpp die Heterogenität des Pankreas-Ca hinsichtlich Prognose und Therapieansprechen.

Diese Subgruppen werden wahrscheinlich von verschiedenen Krebsstammzellen erzeugt. Die Stratifizierung gelingt durch neu entwickelte Biomarker am chirurgisch entfernten Primärtumor.

Stammzellen mit Interferon-alpha wecken

Anhand der Mutationsmuster könne man vorhersagen, welche Signalwege hochreguliert sind bzw. welche inhibitorischen Wege blockiert sind: "Ein auf den ersten Blick gleicher Tumor reagiert aufgrund unterschiedlicher Tumorstammzellen und Mutationen auch höchst unterschiedlich auf Therapie".

Diese Erkenntnisse könnten zu einer gezielteren Therapie bei Patienten führen, die den Subgruppen mit aggressiveren Verläufen angehören. Es gilt nun, diese Ansätze in klinischen Studien zu überprüfen.

Bislang war nicht bekannt, welche Signalmoleküle die schlafenden Stammzellen erwecken können. Offensichtlich ist dies möglich, wenn man die Stammzellen unter Stress setzt. Solche Stressoren werden zum Beispiel bei bakteriellen und viralen Infektionen freigesetzt.

Das Team um Dr. Marieke Essers am HI-STEM hat schon 2009 bei normalen Blutstammzellen entdeckt, dass der Immunbotenstoff Interferon alpha Weckfunktionen für Stammzellen hat.

Inzwischen wurde herausgefunden, dass weitere Botenstoffe, die infolge von Infektionen gebildet werden, als Wecker für schlafende Blutstammzellen fungieren können. Könnte man auch Tumorstammzellen gezielt "aufwecken", so könnte dies therapeutisch genutzt werden. Denn werden ruhende Krebsstammzellen aktiviert, wären sie gezielt angreifbar.

Im Mausmodell hat die Heidelberger Forschergruppe schon zeigen können, dass Leukämiestammzellen durch den Botenstoff Interferon alpha aktiviert werden können. Derzeit wird tierexperimentell versucht, Tumorstammzellen bei der CML erst mit Interferon aufzuwecken und dann mit einer Chemotherapie bzw. dem Tyrosinkinase-Inhibitor Imatinib gezielt auszuschalten.

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