Krebsbehandlung

Mit Immuntherapie gegen Tumoren

Die Immuntherapie kann Patienten helfen, bei denen die konventionelle Krebstherapie erfolglos war. Die Vision der Onkologen heute: weg von den unspezifischen Strategien, hin zur gezielten Zerstörung aller Krebszellen. Noch sind jedoch einige Hürden zu überwinden.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Krebsimpfung: Dendritische Zellen (groß) präsentieren T-Killerzellen (rot) ein „Fahndungsbild“ der Tumorzelle.

Krebsimpfung: Dendritische Zellen (groß) präsentieren T-Killerzellen (rot) ein „Fahndungsbild“ der Tumorzelle.

© DKFZ / Markus Feuerer

NEU-ISENBURG. Je genauer die Komponenten des Immunsystems und deren Zusammenspiel enträtselt werden, umso größer wird das Potenzial, die körpereigene Immunabwehr im Kampf gegen Krebs zu nutzen. Solche Immuntherapien machen es möglich, Krebs gezielter zu bekämpfen, als dies mit Chemo oder Bestrahlung gelingt.

Eine einfache immunmodulierende Therapie ist zum Beispiel die Behandlung von Melanompatienten mit dem Zytokin Interferon, dessen Mitentdecker Professor Jean Lindenmann von der Universität Zürich vor wenigen Tagen im Alter von 90 Jahren gestorben ist.

Seit dieser Entdeckung Ende der 1950er-Jahre ist das immunologische Wissen ungeheuer gewachsen. Es gipfelt in der Entwicklung von erfolgversprechenden Therapieansätzen, die jedoch wesentlich komplexer als die traditionellen Behandlungen sind.

Die Euphorie über das Potenzial, das in Immuntherapien steckt, verdeutlicht unter anderem die Entscheidung des renommierten US-Wissenschaftsmagazins "Science" bereits Ende 2013, die Immuntherapie gegen Krebs als "breakthrough" des Jahres zu küren.

Der bisherige Erfolg der Strategie, gezielt Tumoren zu attackieren und das körpereigene Immunsystem so zu modulieren, dass es Krebszellen nicht mehr toleriert, sondern vernichtet, kann sich sehen lassen.

Die US-Gesellschaft für klinische Onkologie spricht in ihrem aktuellen Jahresbericht in diesem Zusammenhang sogar von Präzisionsmedizin (JCO 2015; online 20. Januar).

In den USA wurden allein im vergangenen Jahr sieben Präparate zugelassen, die Krebszellen entweder direkt attackieren oder immunmodulierend wirken. Vier davon sind monoklonale Antikörper. In Deutschland sind bisher zwölf Antikörper gegen Krebs zugelassen.

"Immuncheckpoint-Revolution"

Markantes Beispiel für eine immuntherapeutische Arznei ist der bereits 2011 in den USA und inzwischen auch in Deutschland zugelassene monoklonale Antikörper Ipilimumab zur Therapie von Patienten mit fortgeschrittenem Melanom.

Damit lassen sich die Tumoren bei den meisten Patienten zumindest verkleinern. In einer Studie im vergangenen Jahr stellte sich zudem heraus, dass der Antikörper sogar dazu geeignet ist, Rezidive nach einer Operation effektiv zu verhindern.

Das Besondere: Der Antikörper koppelt an bestimmte Moleküle auf krebsspezifischen T-Lymphozyten und sorgt so dafür, dass — wie beim Lösen einer Bremse — zuvor blockierte Kräfte freigesetzt und die vom eigenen Immunsystem in Schach gehaltenen zytotoxischen Zellen gegen die Krebszellen losgelassen werden.

Solche Substanzen werden Checkpoint-Inhibitoren genannt. Die derzeitige Entwicklung auf diesem Sektor bezeichnet Professor Philipp Beckhove, Leiter der Abteilung Translationale Immunologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, gar als "Immuncheckpoint-Revolution".

Jeder Patient ist anders, wie vor allem jeder Onkologe weiß. Deshalb ist der bisher erzielte Erfolg mit immer neuen immunmodulierenden Präparaten wie monoklonalen Antikörpern nicht genug.

Den Krebsforschern ist klar geworden, dass eine noch bessere Strategie im Kampf gegen Krebs die ist, die körpereigenen Lymphozyten gezielt und damit patientenspezifisch gegen die Krebszellen zu lenken.

Dank der modernen molekulargenetischen und immunologischen Techniken ist es tatsächlich bereits gelungen, körpereigene T-Zellen von Krebspatienten ex vivo auf der Zelloberfläche so zu verändern, dass sie gezielt maligne Zellen vernichten.

Vorzeigepatientin dabei ist das US-Mädchen Emily Whitehead: Sie erkrankte 2010 mit fünf Jahren an akuter lymphatischer Leukämie. Mit nur einer Reinfusion ihrer genetisch veränderten Lymphozyten im Jahr 2012 wurde eine bis heute anhaltende komplette Remission erzielt.

Dieser Erfolg darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er sich nicht bei jedem Patienten beliebig wiederholen lässt. Weil das Immunsystem noch nicht hundertprozentig verstanden ist, ist mit Rückschlägen zu rechnen — auch mit dramatischen. Die Forscher entmutigen darf das aber nicht.

Impfung gegen solide Tumoren

Den größten Erfolg im Kampf gegen Krebs erwarten Onkologen, wenn die Immuntherapie drei Bedingungen erfüllt: Sie wirkt systemisch, aktivierte krebsspezifische T-Zellen gelangen in das Innere der Tumoren, und die Aktivität dieser Immunzellen ist groß genug, um die malignen Zellen restlos zu zerstören.

Auf dem Weg dorthin werden auch Impfstrategien erprobt, etwa mit dendritischen Zellen, die mit tumorspezifischen Antigenen "beladen" werden und diese dem Immunsystem präsentieren.

Auch bei Patienten mit soliden Tumoren werden Impfstudien gemacht, etwa in Heidelberg von der Arbeitsgruppe um Professor Michael Platten vom DKFZ und dem Universitätsklinikum Heidelberg bei Patienten mit einem Gliom. Nach Angaben von Platten hoffen die Wissenschaftler, noch vor dem Sommer mit einer Phase-I-Studie beginnen zu können.

Geplant ist die Kombination einer Impfung mit einem mutierten IDH1-Peptid plus Chemo- oder Radiochemotherapie, "die die Patienten sowieso bekommen", so Platten. 39 Patienten im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium nehmen daran teil.

Zumindest bei Mäusen mit einem menschlichen Immunsystem konnte bereits gezeigt werden, dass T-Zellen das Antigen erkennen, aktiviert werden, in die Tumoren eindringen und deren Wachstum stoppen. Die Chancen, dass das auch bei Patienten so ist, stehen gut.

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