Glyphosat

WHO widerspricht EU-Behörden

Am Donnerstag wird über eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat in der EU entschieden. Eine WHO-Neubewertung möglicher Risiken des Herbizids wird kontrovers diskutiert.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:

Schädlingsbekämpfung in einer Weinkultur. Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid.

BERLIN. An Glyphosat scheiden sich die Geister: Im vergangenen Sommer hatte die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) die Studien zu dem Herbizid ausgewertet und es als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft.

Die WHO-Behörde hatte damit gegensätzlicher Einschätzungen anderer Behörden wie der EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung widersprochen. Mit modernen Analysetechniken werden Glyphosat-Spuren zudem in vielen Lebensmitteln und sogar in der Muttermilch nachgewiesen, was regelmäßig für Schlagzeilen und Proteste von Umweltverbänden sorgt.

Jetzt wendet sich ein Expertenpanel von der WHO und der UN-Food and Agriculture Organization (FAO) nach Auswertung der wissenschaftlichen Glyphosat-Literatur gegen einen relevanten Krebsverdacht: Die Richtwerte für eine gesundheitlich bedenkliche Tageshöchstdosis (acceptable daily intake, ADI) von bis zu 1 mg Glyphosat oder seiner Metaboliten pro kg Körpergewicht müssen nicht gesenkt werden.

Auch sei die Definition eines Höchstwerts für die einmalige Aufnahme des Herbizids (acute reference dose, ARfD) wegen der geringen akuten Toxizität der Substanz und ihrer Metabolite nicht nötig, so das Panel.

Die Experten räumen in einem Papier von ihrem Treffen ein, dass es in Fall-Kontrollstudien und einer Metaanalyse zwar Hinweise auf eine Assoziation zwischen beruflicher Glyphosat-Exposition und Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) gab. Die einzige qualitativ hochwertige große Kohortenstudie dazu habe aber keine Zusammenhänge zwischen der Krebserkrankung und Glyphosat ergeben.

Auch in Studien mit Mäusen und Ratten sei in der überwiegenden Mehrheit keine Karzinogenität festgestellt worden: Bei Ratten sei ein krebsfördernder Effekt auszuschließen, bei Mäusen allerdings bei sehr hohen Dosen nicht auszuschließen, so die Experten. Mögliche erbschädigende Effekte des Herbizids wurden ebenfalls bei Säugetieren untersucht.

Dabei hätten sich oral aufgenommene Dosen von bis zu 2 g pro kg Körpergewicht als nicht gentoxisch herausgestellt. Erbschädigende Wirkungen des Herbizids seien daher bei geringen aufgenommenen Mengen auch beim Menschen nicht zu erwarten.

In Bonn pocht Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) daher auf ein "Ja" der deutschen Vertreter zur Zulassungsverlängerung. Er habe kein Verständnis dafür, dass Umweltministerin Barbara Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hier ihre Meinung geändert hätten. Dadurch müsste sich Deutschland nun in Brüssel der Stimme enthalten.

Die EU-Zulassung für Glyphosat endet am 30. Juni. Der EU-Ausschuss für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit will nun am Donnerstag entscheiden, ob die Zulassung verlängert werden soll. In dem Ausschuss sitzen Vertreter der 28 Mitgliedstaaten. (mit dpa-Material)

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