Supportivtherapie

Wege zu mehr Lebensqualität

Zum ersten Mal liegen jetzt für den deutschen Sprachraum einheitliche Empfehlungen für die Supportivtherapie bei Krebserkrankungen vor.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Kontrolle auf Anämie - ein Aspekt, der in der neuen Leitlinie berücksichtigt wird.

Kontrolle auf Anämie - ein Aspekt, der in der neuen Leitlinie berücksichtigt wird.

© Vladimir Shevelev / Fotolia.com

Eine spezifische Krebstherapie kann letztlich nur dann erfolgreich sein, wenn typische Nebenwirkungen wie Anämie, Übelkeit oder orale Mukositis verhindert oder ausreichend gut gelindert werden. Erstmals steht nun dafür eine breit konsentierte S3-Leitlinie mit Empfehlungen zur supportiven Behandlung von Krebspatienten zur Verfügung, verfasst unter Federführung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO) sowie der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie. Beteiligt waren insgesamt 45 Fachgesellschaften und Organisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Die Empfehlungen und Hinweise sind Teil des 2008 gestarteten Leitlinienprogramms Onkologie. Damit sollen unter anderem unterschiedliche Standards der Supportivtherapie in einzelnen onkologischen Leitlinien vermieden und regelmäßige Aktualisierungen erleichtert werden.

Anämie bei 75 Prozent

Zehn Themenbereiche haben Leitlinienkoordinatorin Professor Karin Jordan vom Uniklinikum Halle/Saale und ihre Kollegen abgehandelt, nämlich Tumortherapie-induzierte Anämien, Neutropenien, Übelkeit/Erbrechen, Diarrhoe, Hauttoxizität und periphere Neurotoxizität sowie orale Mukositis, ossäre Komplikationen, Paravasate und supportive Maßnahmen in der Radioonkologie.

So treten zum Beispiel bei 75 Prozent aller Krebspatienten unter der Tumortherapie Anämien auf. Dennoch, so die Autoren, sollte nach möglichen weiteren Anämieursachen gefahndet werden. So können Eisenmangel auf Nierenfunktionsstörungen oder Blutungen auf hämatologische Systemerkrankungen hindeuten. "Je nach diagnostischem Befund müssen die entsprechenden Ursachen differenziert behandelt werden", so die Leitlinien-Autoren.

Erniedrigte Hämoglobin (Hb)-Werte allein reichten nicht aus, um die Indikation zur Anämietherapie zu stellen, heißt es weiter. Dies sei nur bei entsprechenden klinischen Beschwerden gerechtfertigt. Zu achten ist außerdem auf die strenge Indikationsstellung zu Erythropoese-stimulierenden Agenzien (ESA). Diese bezieht sich lediglich auf Chemotherapie-induzierte Anämien ab Hb-Werten von 10 g/dl (6,2 mmol/l) und darunter. Bei Anämie aufgrund einer Radiotherapie sind ESAs daher nicht angezeigt.

Insgesamt gibt es wenig Evidenz dafür, dass sich mit ESAs die Lebensqualität bessern lässt, Gleiches gilt bei Betrachtung der Überlebenszeit. Darüber hinaus muss der potenzielle Nutzen abgewogen werden gegen das Risiko möglicher thromboembolischer Komplikationen und erhöhten Blutdrucks. Eine evidenzbasierte Aussage zu ESA-Biosimilars sei derzeit nicht möglich, weil vergleichende Studien mit Patienten-relevanten Studienendpunkten fehlen.

Übelkeit belastet stark

Auch das Kapitel zum häufigen Eisenmangel bei Tumorpatienten bezieht sich nur auf jene mit Chemotherapie-induzierter Anämie. Vornehmlich wird auf die parenterale Eisentherapie in Kombination mit ESA abgehoben. Für oder gegen eine alleinige intravenöse Eisentherapie gebe es keine ausreichende Evidenz.

Bezüglich der Transfusion von Erythrozytenkonzentraten sprechen sich die Autoren für eine restriktive Indikationsstellung aus, zumal von dieser Strategie keine klinischen Nachteile für Patienten mit akuter Anämie zu erwarten seien. Entscheidend für die Indikation zur Bluttransfusion sind demnach der klinische Zustand des Krebspatienten, die Ausprägung der Anämie-Symptomatik, der Hb- oder der Hämatokrit-Wert, die Akuität des Blutverlusts sowie die Kompensationsmöglichkeiten des Patienten.

Übelkeit und Erbrechen gehören zu den die Patienten am meisten belastenden Nebenwirkungen von Tumortherapien. Bei 70 bis 80 Prozent der Patienten, die eine hoch emetogene Behandlung erhalten, könne Erbrechen verhindert werden, heißt es in der Leitlinie. In einer Übersicht werden das emetogene Potenzial parenteraler antineoplastischer Substanzen aufgelistet und patientenindividuelle Risikofaktoren aufgeführt. So sind etwa junge Krebspatienten und Patienten, denen auf Reisen schnell übel wird, eher gefährdet als zum Beispiel Patienten mit chronisch starkem Alkoholkonsum. Zur Prophylaxe sowie zur antiemetischen Behandlung bei Tumortherapie-induzierter Nausea und Emesis werden differenzierte Angaben in tabellarischen Übersichten gemacht.

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