Kommunikations-Defizit

Konventionelle plus komplementäre Medizin bei Krebs – Hier hakt's

Viele Krebspatienten wünschen außer einer Standardtherapie auch komplementärmedizinische Maßnahmen. Hier gibt es jedoch häufig Informationsdefizite.

Von Dr. Christine Starostzik Veröffentlicht:
Viele Onkologen und Hausärzte spsrechen das Thema Komplementärmedizin nur auf Nachfrage ihrer Patienten an.

Viele Onkologen und Hausärzte spsrechen das Thema Komplementärmedizin nur auf Nachfrage ihrer Patienten an.

© Fuse / Thinkstock

WINSTON-SALEM. Wenn Krebspatienten außer einer schulmedizinischen Therapie auch komplementärmedizinische Maßnahmen wünschen, ist die Beratung hierzu schwierig: Ausgewogene Informationen und evidenzbasierte Studiendaten über Nutzen und Risiken der Methoden sind rar. Wenn überhaupt, sprechen viele Onkologen und Hausärzte das Thema daher nur auf ausdrückliche Nachfrage ihrer Patienten an, berichten Trine Stub von der Wake Forest School of Medicine in Winston-Salem und Kollegen.

Das ist bedenklich, denn die "Begleitmaßnahmen" können auch negative Auswirkungen auf die schulmedizinische Therapie haben, betonen die Forscher. Hausärzte und Onkologen sollten daher ihre Patienten gezielt fragen, ob sie solche Maßnahmen eigenmächtig wahrnehmen. Dabei ist es immer noch besser, Unsicherheiten über Nutzen und Sicherheit komplementärer Maßnahmen einzuräumen, als ein Gespräch ganz zu vermeiden.

Allerdings sind Probleme in der Kommunikation durch unterschiedlich verstandene Therapiekonzepte aus Sicht der komplementären und der konventionellen Medizin sowie wegen verschiedener Philosophien von "Mensch und Krankheit" programmiert, wie eine Analyse der Forscher von 29 Studien aus den Jahren 2000 bis 2015 ergeben hat (BMC Complementary and Alternative Medicine 2016; 16: 353). Besonders Onkologen haben danach aufgrund fehlender wissenschaftlicher Evidenz für die Wirksamkeit vieler komplementärmedizinischer Maßnahmen Probleme, diese zu empfehlen. Andererseits möchten manche Hausärzte derartige Methoden aber in der Hinterhand haben, wenn die konventionelle Medizin keine Therapieoptionen für den Patienten mehr offenhält.

Keine falschen Hoffnungen

Für diese Versorger wäre es wichtig, zwischen Maßnahmen, die nur falsche Hoffnungen wecken, und solchen, die eine Supportivbehandlung für eine bessere Lebensqualität bereitstellen, unterscheiden zu können, meinen Stub und Kollegen. Doch auch hier hakt es offenbar. So ist vor allem das fehlende Wissen über komplementäre Therapien bei Hausärzten und Onkologen ein Hemmnis dafür, dass ein Gespräch mit dem Patienten dazu in Gang kommt. Dabei sei es keineswegs nötig, sich zum Experten für Komplementärmedizin ausbilden zu lassen, um ein respektvolles, ausgewogenes und hilfreiches Gespräch zu den Möglichkeiten zu führen. Die Kenntnis hierzu, so Stub und Kollegen, könne etwa in Online-Schulungen erworben werden.

Allerdings hätten nicht nur Schulmediziner Nachholbedarf, so die Forscher. Viele Anbieter von Komplementärmedizin hätten ein zu geringes schulmedizinisches Wissen, etwa zu Wechselwirkungen zwischen pflanzlichen Präparaten oder auch Krebsdiäten und konventionellen Therapien.

Eine Patientengefährdung geht zudem ganz konkret von Kontaminationen oder Toxizitäten komplementärer Präparate sowie deren Wechselwirkungen mit konventionellen Krebstherapien aus. So wurden beispielsweise hochgradige Belastungen mit Schwermetallen, Bakterien und toxischen organischen Verbindungen in ayurvedischer Präparaten aus Indien und in Kräutern und anderen Präparaten aus dem Mittleren Osten nachgewiesen. Für den Patienten ist es demnach wichtig, verlässliche Informationen darüber zu erhalten, welche komplementären Therapien er gefahrlos mit seiner Krebstherapie vereinbaren kann.

Alle Ärzte, die Krebspatienten behandeln, sollten sich der Risiken durch komplementäre Maßnahmen bewusst sein. Um die sichere Versorgung zu gewährleisten, sei eine quervernetzte Ausbildung für alle Versorger im Gesundheitssystem nötig, unabhängig davon, ob ein Arzt komplementärmedizinisch oder konventionell orientiert sei, fordern Stub und Kollegen. Dies könne dazu beitragen, die aktuell bestehende Kommunikationslücke zwischen den Vertretern verschiedener Therapierichtungen und ihren Patienten zu schließen.

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