Ösophaguskarzinom

Dünndarmschleimhaut in Ösophagus transplantiert

Mit einem neuen Verfahren haben Chirurgen aus Deutschland einem Patienten mit einem Ösophaguskarzinom ein Stück seiner Dünndarm-Schleimhaut transplantiert. Damit könnte sich eine Behandlungsmöglichkeit eröffnen.

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Einem Patienten wurden etwa 30 Zentimetern Dünndarm entnommen und in den Ösophagus transplantiert. © Springer Medizin Verlag

Einem Patienten wurden etwa 30 Zentimetern Dünndarm entnommen und in den Ösophagus transplantiert. © Springer Medizin Verlag

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BERLIN. Chirurgen ist es gelungen, patienteneigene Dünndarmschleimhaut in den Ösophagus zu transplantieren. Für Patienten mit Frühkarzinomen des Ösophagus und mit narbigen Veränderungen könnte das Verfahren neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen, heißt es in einer Mitteilung der Vivantes Kliniken.

Bei einem Patienten war nach komplexer Entfernung eines Schleimhautkarzinoms des oberen Ösophagus 2015 eine übermäßig starke Narbenbildung aufgetreten. Durch reaktive Verengung des Ösophagus war die Nahrungsaufnahme stark beeinträchtigt; alle bis dahin zur Verfügung stehenden Behandlungsverfahren waren ausgeschöpft. Der Patient war im Juni 2015 aus Deutschland an die Universitätsklinik Strasbourg überwiesen worden, da hier spezielle Expertise für die Entfernung seines Oberflächenkarzinoms am Ösophagus-Eingang bestand.

Innovativer Ansatz

Chirurgischoperativ bestand im Bereich des oberen Ösophagussphinkter kaum Möglichkeiten zu intervenieren. In einem flexibel-endoskopischen Eingriff konnte Professor Jürgen Hochberger vom Vivantes Klinikum in Berlin das auf die Schleimhaut begrenzte Frühkarzinom aber röhrenförmig über sieben Zentimeter ausschälen. Durch die überschießende Narbenbildung waren zuletzt engmaschige Dehnungsbehandlungen alle 10-14 Tage am Zentrum erforderlich, heißt es weiter in der Mitteilung.

Nach experimentellen Vorarbeiten entschieden sich die Mediziner im Dezember 2016 zu einem innovativen Ansatz, um auf einer großen Wundfläche die wiederholte Vernarbung zu durchbrechen. Die transplantierte Schleimhaut dient jetzt als Schutz für die ehemalige Wunde. "Wir haben erstmals ein neuartiges Verfahren und Vorgehen angewendet. In Zukunft könnte so bei flächigen Frühkarzinomen oder therapierefraktären Narben in der Speiseröhre gleichzeitig ein endoskopischer und ein chirurgischer Eingriff erfolgen, um bereits beim Ersteingriff große Wundflächen in der Speiseröhre zu bedecken und so eine überschießende Narbenbildung zu verhindern", wird Hochberger in der Mitteilung zitiert. Dünndarmschleimhaut sei natürlicherweise gut gefeit gegen Gallensäuren, Pankreasproteasen und -lipase sowie Magensäure, was bei Rückfluss der aggressiven Sekrete in die Speiseröhre eine potenziell hohe Widerstandskraft verspreche.

Vakuumschwamm-Technologie

Die Verwendung von Dünndarm-Schleimhaut zeige neue Perspektiven auf. Dünndarm stelle durch seine röhrenförmige Struktur mit ähnlichem Durchmesser wie die Speiseröhre ein potenziell ideales Substrat für eine derartige Transplantation dar, so Hochberger weiter. Zudem sei Dünndarm chirurgisch minimal-invasiv gut zugänglich und werde bei etwa fünf Metern Länge bei einer Kürzung um 30 Zentimeter in seiner Funktion wenig beeinträchtigt.

Bei dem chirurgischen Eingriff wurde die innere Narbe von der dünnen Muskelschicht quasi mikrochirurgisch mit einem speziellen hochauflösenden, flexiblen Zoom-Endoskop über sieben Zentimeter abpräpariert.

Durch die Vakuumschwamm-Technologie, die aus der plastischen Chirurgie bekannt ist, wurde der Wundgrund speziell vorbereitet, um das Angehen des Transplantats zu fördern: Der inzwischen mit Bindegewebe durchsetzte Muskel wurde durch zwei Polyurethan-Vakuum-Schwämme über mehrere Tage "vorkonditioniert", um die Einsprossung von Gefäßen und die Durchblutung zu fördern.

In einem zweiten Eingriff Anfang Dezember 2016 erfolgte dann die chirurgische Entnahme von etwa 30 Zentimetern Dünndarm mittels eines kleinen Bauchschnittes und die spezielle Präparation der Dünndarm-Schleimhaut. Diese wurde auf einen Maschengitter-Stent aus Nickel-Titan aufgebracht und nach dessen Freisetzung gegen die Wand im zentralen Resektionsbereich gedrückt. Der obere Eingang in den Ösophagus musste dabei präzise ausgespart werden. Der Eingriff liege nun mehr als zwei Monate zurück, und der Patient sei wiederholt zu Hause gewesen, heißt es in der Mitteilung. Inzwischen konnte auch histo-pathologisch bestätigt werden, dass die Dünndarmschleimhaut im Ösophagus angewachsen und vital ist.(eb)

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