Paul-Ehrlich-Preis

Ein Ehepaar auf der Virusjagd

Mehrere Viren stehen im Zusammenhang mit der Entstehung von Krebs. Zwei dieser Viren haben die diesjährigen Paul-Ehrlich-Preisträger entdeckt: die US-Professoren Dr. Yuan Chang und Dr. Patrick S. Moore aus Pittsburgh.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Ein Ehepaar auf der Virusjagd

© Uwe Dettmar

"Jede Erkenntnis beginnt mit einem Einfall, der langfristige Gedanken mit sich bringen kann", sagte der Medizinnobelpreisträger Professor Harald zur Hausen, seit 2014 Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung bei der Verleihung des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preises in der Frankfurter Paulskirche. Und besondere Einfälle hatten die beiden diesjährigen Paul-Ehrlich-Preisträger Professor Yuan Chang und Professor Patrick Moore von der Universität Pittsburgh in Pennsylvania. Diese Einfälle führten sie letztlich zur Entdeckung von zwei Viren, die Krebs auslösen: das Kaposi-Sarkom-Herpes-Virus, inzwischen als HHV-8 (Humanes Herpesvirus 8) bezeichnet, sowie das Merkelzell-Polyomavirus (MCV), wobei das MCV "nichts mit der Bundeskanzlerin zu tun hat", wie zur Hausen schmunzelnd betonte.

Preis ist mit 120 000 Euro dotiert

HHV-8 verursacht eine vaskuläre Neoplasie, MCV das kutane neuroendokrine Merkelzellkarzinom. Für seine Entdeckungen wurde das Ehepaar Chang und Moore mit dem derzeit höchst dotierten deutschen Wissenschaftspreis geehrt. Er ist inzwischen mit 120.000 Euro dotiert. Den Nachwuchspreis der Paul Ehrlich-Stiftung erhielt der Biotechnologe Dr. Volker Busskamp vom DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) der Technischen Universität Dresden. Der Preis ist mit 60.000 Euro dotiert.

Die Entdeckung des Kaposi-Sarkom-Virus liegt schon viele Jahre zurück. Damals ließen die epidemiologischen Erkenntnisse vermuten, dass es einen Erreger für das Sarkom geben musste. "Aber wir hatten keine Ahnung, was das bei diesem Tumor sein könnte", so Chang im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". "Wir wussten nicht, ob es ein Bakterium, ein Parasit oder ein Virus ist". Dann hatte einer der beiden Forscher die Idee, DNA-Sequenzen von normalem Gewebe mit dem im Tumorgewebe zu vergleichen. Chang: "Ich würde sagen, das Verdienst hat Patrick." Er habe damals einen wissenschaftlichen Artikel in "Science" gelesen, in dem die Methode "Representational Difference Analysis" (RDA) beschrieben worden sei, und zwar ursprünglich zur Lösung genetischer Probleme. Als ihr Mann den Beitrag gelesen habe, so die Pathologin Chang, habe er sich gedacht, dass dies eine großartige Methode sei, um einen Erreger zu finden. "Wir verwendeten sie daher zum Nachweis fremder DNA." In der Methode werden Restriktionsenzyme und die PCR genutzt, um fremde Erbmoleküle zu entdecken und anzureichern. 1994 publizierten Chang und Moore schließlich die Entdeckung des HHV-8 in Aids-assoziierten Kaposi-Sarkomen im Wissenschaftsjournal "Science".

RDA-Methode auch bei MCV probiert

Durch die erfolgreiche moderne antiretrovirale Therapie HIV-Infizierter mit der Wiederherstellung des Immunsystems tritt das Kaposi-Sarkom bei den Betroffenen praktisch nicht mehr auf. Zu Beginn der HIV-Pandemie in den 1980er-Jahren prägte der Tumor dagegen noch das klinische Bild der HIV-Infizierten mit den rötlich-braunen bis violettroten Makulae vor allem an den Extremitäten.

Auch für den Nachweis eines Erregers als Auslöser des Merkelzellkarzinoms hat das Forscherehepaar zunächst die RDA-Technik ausprobiert. Allerdings war es damit nicht erfolgreich. In ihrem Labor in Pittsburgh entwickelten die Forscher schließlich eine Methode, mit der sich per Computer normale Erbgutsequenzen von fremden Sequenzen unterscheiden lassen. Sie wird als "Digital Transcriptome Subtraction" bezeichnet. "Die Idee der Subtraktion unterschiedlicher DNA-Moleküle ist bei beiden Methoden die gleiche", so Chang. Vereinfacht gesagt habe ein Mitarbeiter in ihrem Labor eine Software entwickelt, mit der sich normale Erbgutsequenzen, die nach Entschlüsselung des menschlichen Erbguts in Datenbanken bereits hinterlegt sind, aus Tumorzellen entfernen lassen. "Was übrigbleibt ist das nichtmenschliche Agens."

"Acht Jahre Versuch und Irrtum"

Bis die Wissenschaftler fündig wurden, mussten acht Jahre vergehen, "acht Jahre Versuch und Irrtum", so Moore bei der Verleihung. Im Unterschied zum HHV-8 baut sich das Polyomavirus MCV in das Erbgut befallener Zellen ein. Zwei Proteine des Virus sorgen dafür, dass die Krebszellen überleben und proliferieren. Die Entdeckung des MCV stellten Chang und Moore schließlich 2008 in einem Beitrag für "Science" der Öffentlichkeit vor. Das Virus lässt sich demnach in 80 Prozent der Merkelzellkarzinome nachweisen. Moore erinnerte während der Verleihung daran, dass sich MCV mit dem Menschen koevolutionär entwickelt hat. "Die meisten Anwesenden in diesem Raum tragen das Virus."

Es sei harmlos, solange das Immunsystem nicht geschwächt sei. Chang wies darauf hin, dass es bereits vielversprechende Medikamente gegen das Polyomavirus gebe. So seien immunmodulatorische Therapien, etwa mit PD-1/PD-L1-Hemmern (Checkpoint-Hemmern) sehr erfolgreich gegen virusassoziierte Krebserkrankungen eingesetzt worden.

Es gebe erste Studien zur Therapie beim Merkelzellkarzinom, "und die Ergebnisse sind spektakulär. Und ich benutze dieses Wort nicht leichtfertig." Es gebe Hinweise, dass mit Checkpoint-Hemmern eine anhaltende Remissionsrate zwischen 40 und 60 Prozent erreichbar sei.

Forschung braucht beste Talente

Anders ist die Situation derzeit beim Kaposi-Sarkom. Nach Angaben von Moore sei sie enttäuschend. Obwohl Forscher weltweit Kandidaten für einen Impfstoff und Zielmoleküle für die Therapie gefunden hätten, gebe es wenig kommerzielles Interesse daran, einen Impfstoff oder eine spezifische Therapie zu entwickeln, zitiert die Stiftung den Preisträger. Das Kaposi-Sarkom gehört in Afrika zu den häufigsten Tumoren bei Männern. In endemischen Regionen sind etwa 80 Prozent der Kinder in der Pubertät HHV-8-Serokonverter. In den USA ist seine Prävalenz höher als das des Prostatakarzinoms.

Die diesjährige Verleihung des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preises stand ganz unter dem Eindruck des von US-Präsident Donald Trump geplanten Einreiseverbots für Menschen aus mehreren Ländern. Zur Hausen betonte gleich zu Beginn des Festaktes: "Ein Dekret, das Menschen pauschal und allein wegen ihrer Herkunft von der Einreise ausschließt, verstößt gegen wichtige Prinzipien der Forschung. Und die Forschung braucht die besten Talente, und diese müssen international rekrutiert werden."

Moore wies in seiner Dankesrede in diesem Zusammenhang auf die Zusammensetzung seines Labors hin. Nur zwei Forscher seien gebürtige US-Amerikaner. Die Liste der Herkunftsländer der übrigen Wissenschaftler begann er bewusst mit Mexiko.

Chang ist Pathologin und Virologin

Chang, die außer Pathologin, auch Virologin ist, wurde in Taiwan geboren. Sie wuchs in Salt Lake City auf. Medizin studierte sie an der Universität Utah. Zudem hat sie einen Bachelor of Science von der Universität Stanford. Die Wissenschaftlerin arbeitete zunächst am Stanford University Medical Center, am DNAX Research Institute of Molecular Biology in Palo Alto und am Columbia University´s College of Physicans and Surgery in New York. Im Jahr 2002 wechselte sie schließlich an die Universität Pittsburgh.

Chang ist American Cancer Society Research Professor, Distinguished Professor of Pathology und UPMC Endowed Chair in Cancer Virology an der University of Pittsburgh School of Medicine. Sie ist mehrfach ausgezeichnet worden und wird noch in diesem Jahr mit ihrem Ehemann Patrick Moore den Passano Foundation Award erhalten.

Moore ist sowohl Epidemiologe als auch Virologe. Zunächst studierte er am Westminster College in Salt Lake City Biologie und machte einen Master in Chemie an der Universität Stanford. Er hat Medizin an der Universität Utah in Salt Lake City studiert und einen Master of Public Health an der Universität Kalifornien in Berkeley erworben. 1985 war er ein Jahr lang in Ghana, 1986 in Liberia tätig. Danach arbeitete er für die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention. Moore war an Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit in Tschad, Äthiopien, Nigeria, Nepal, Somalia und auf Saipan beteiligt.

Moore seit 2002 in Pittsburgh

Nach verschiedenen Stationen, unter anderem in Berkeley und Somalia, wurde er 1993 kurzzeitig Deputy Commissioner im NYC Department of Health, bevor er mit seiner Frau an der Columbia-Universität in New York zusammenarbeitete. Bis zum Jahr 2002 war Moore Professor of Public Health Division of Epidemiology an der Columbia-Universität. Seit 2002 ist er wie seine Frau an der Universität Pittsburgh tätig.

Moore ist Direktor des Cancer Virology Program at the University of Pittsburgh Cancer Institute, American Cancer Society Research Professor, Distinguished Professor of Microbiology and Molecular Genetics und Pittsburgh Foundation Chair in Innovative Cancer Research an der University of Pittsburgh School of Medicine. Der Wissenschaftler ist vielfach ausgezeichnet worden. Unter anderem erhielt er 1998 mit seiner Frau den Robert- Koch-Preis für die Entdeckung des HHV-8.

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