Prävention von Malignomen

Fraglicher Nutzen von Vitamin D in Kapseln

Eine Studie zur Krebsprophylaxe mit Vitamin D3 ist negativ verlaufen. Das ist zwar noch nicht das letzte Wort über dessen tumorpräventive Wirkung. Doch so viel scheint klar: Wenn es überhaupt einen Effekt gibt, dann ist er vermutlich eher gering.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Schützt Vitamin D vor Krebs? Die Hypothese ist seit fast 40 Jahren nicht belegt worden.

Schützt Vitamin D vor Krebs? Die Hypothese ist seit fast 40 Jahren nicht belegt worden.

© japhoto / fotolia.com

Seit nunmehr fast 37 Jahren diskutieren Forscher über das Für und Wider einer Vermutung, wonach Vitamin D vor Krebserkrankungen schützt. Aufgestellt haben die "Vitamin-D-Hypothese" die Brüder Frank und Cedric Garland schon im Jahr 1980. Den beiden Epidemiologen war aufgefallen, dass die geografische Verteilung von Darmkrebsfällen über die Vereinigten Staaten mit dem Muster der Sonneneinstrahlung zusammenhängt: Dort, wo die Sonne am meisten scheint, ist die Darmkrebsmortalität am geringsten – und am höchsten dort, wo wenig Sonnenlicht einfällt. Als Erklärung schlugen die Brüder vor, dass die beeinträchtigte Kalziumresorption aufgrund des Mangels an 1,25-Dihydroxycholecalciferol der Integrität der Darmschleimhaut schadet und neoplastische Veränderungen des Darmepithels begünstigt (Int J Epidemiol 1980; 9: 227).

Frank Garland ist vor einigen Jahren gestorben. Sein Bruder Cedric aber forscht weiter an der Vitamin-D-Hypothese. Er gehörte auch einem Forscherteam an, das kürzlich die Ergebnisse einer randomisierten klinischen Studie vorgelegt hat, in der die krebspräventive Wirkung einer Supplementkombination von Vitamin D3 und Kalzium untersucht worden war (JAMA 2017; 317: 1234).

An der Studie waren 2303 Frauen beteiligt, die entweder täglich eine Kapsel mit 2000 IU Vitamin D3 plus dreimal täglich ein Placebo oder aber eine Tablette mit 500 mg Kalzium schluckten – eine durchaus stattliche Dosis also. Analysiert wurde der Einfluss der Supplementation auf die Krebsrate im Verlauf von vier Jahren.

Ergebnis: Bei 3,9 Prozent der Frauen in der Verum- und 5,6 Prozent in der Placebogruppe wurde in der Nachbeobachtungszeit Krebs diagnostiziert. Ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen war nicht festzustellen. Die Schätzung der Krebsinzidenz nach der Kaplan-Meier-Methode ergab ebenfalls keine bedeutsamen Differenzen.

Vitamin D3 lag schon vor Therapie im Normbereich

So eindeutig, wie es scheint, ist das Ergebnis indes nicht. Bei der Interpretation des mit Blick auf die Malignomprävention negativen Ergebnisses ist zu beachten, dass die Teilnehmerinnen schon zu Beginn der Studie Vitamin-D3-Serumspiegel aufwiesen, die mit rund 33 ng/ml deutlich im Normbereich lagen. Auch war die Krebsrate insgesamt gering.

Nahm man zudem jene Tumoren aus der Wertung, die bereits im ersten Jahr der Nachbeobachtung aufgetreten waren und daher womöglich schon vor Beginn der Studie angefangen hatten zu wachsen, ergab sich sogar ein knapp signifikanter Effekt zugunsten von Vitamin D3 und Kalzium; die Rate lag hier bei gut 3 Prozent verglichen mit knapp 5 Prozent unter Placebo (p = 0,047). Und schließlich ließ sich eine inverse Beziehung zwischen den erreichten Serumkonzentrationen von Vitamin D3 und der Krebsinzidenz belegen.

Selbst wenn man aber die Effekte für bare Münze nähme, wären sie bei näherer Betrachtung wenig spektakulär. Relativ gesehen nimmt sich die Senkung über vier Jahre mit einem Minus von 35 Prozent ganz passabel aus. Absolut betrachtet beträgt die Differenz jedoch ausweislich der Studiendaten knapp 2 Prozentpunkte. Die Wissenschaftler wollen die Ergebnisse dieser Post-hoc-Analysen denn auch nicht überbewerten und nur zur Hypothesenbildung verwenden.

Gewiss gibt es biologische Gründe, Vitamin D3 einen protektiven Effekt gegen Tumoren zuzuschreiben. Es fördert die Zelldifferenzierung, hemmt die Proliferation von Krebszellen, wirkt antientzündlich, immunmodulatorisch, antiangiogenetisch und proapoptotisch. Im Labor hat das funktioniert. Studien-Ergebnisse mit Vitamin D3 draußen im Leben waren aber bisher widersprüchlich. Immerhin mag es auch einen Unterschied ausmachen, welchen Serumspiegel die Patienten mit zusätzlicher Vitamin-D3-Versorgung ursprünglich aufwiesen. Je nachdem, ob ein Mangel vorliegt oder nicht, könnten auch die Effekte der Supplementation differieren.

Ergebnisse großer Studien sind abzuwarten

Derzeit laufen große, populationbasierte, randomisierte und kontrollierte Studien zum Nutzen einer Vitamin-D3-Supplementation. Eine davon, die VITAL-Studie (VITamin D and OmegA-3 TriaL), prüft die krebspräventive Wirkung von täglich 2000 IU Vitamin D3 über einen Zeitraum von fünf Jahren. Beteiligt sind 20.000 Frauen ab 55 und Männer ab 50. Die Untersuchung, die seit 2012 läuft, soll Ende dieses Jahres abgeschlossen werden.

Vielleicht lässt sich mit der VITAL-Studie die Debatte darüber beenden, ob Vitamin D3 außer den unbestrittenen positiven Effekten auf die Knochen auch vor Krebs und anderen Leiden bewahrt. Cedric Garland jedenfalls fände es nach bald vier Jahrzehnten bestimmt nicht zu früh, zu erfahren, ob sich seine und seines Bruders Hypothese bestätigt oder nicht.

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