"Verhütung der nötigen Zervix-Ca-Vorstufen durch die Impfung ist eindeutig belegt"

13 Forscher aus Deutschland fordern, die HPV-Impfung neu zu bewerten, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" (26. November). Der Krebsforscher Professor Harald zur Hausen nimmt zu dem Beitrag in einem Internet-Blog der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Stellung, die wir in Auszügen dokumentieren.

Veröffentlicht:

"Es ist extrem wichtig, Mädchen vor dem Einsetzen sexueller Aktivitäten zu impfen." Professor Harald zur Hausen Deutsches Krebsforschungszentrum

Punkt 1 der Kritiker: Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren zu impfen stehe auf tönernen Füssen und (Zitat) "fast jede Zahl, egal wer sie nennt, stammt letztlich von den Impfstoffherstellern - Glaxo Smith Kline und Sanofi Pasteur MSD".

Professor Harald zur Hausen: Es ist in einem gewissen Sinne richtig, dass alle Untersuchungen über die Wirksamkeit der Papillomvirus-Impfstoffe beim Menschen in Bezug zu den beiden Herstellerfirmen stehen. Wie könnte es auch anders sein, da nur diese Impfstoffe umfangreiche klinische Prüfungen durchlaufen haben und damit auch eine Lizenz für deren Anwendung beim Menschen vorliegt? (...) Die Impfung schützt nur vorbeugend gegen neue Infektionen und ist bei vorliegender Infektion mehr oder weniger wirkungslos. Da die Viren der genitalen Warzen und im Gebärmutterhalskrebs so gut wie ausschließlich durch sexuelle Kontakte übertragen werden, ist es extrem wichtig, die Impfung in Altersgruppen vor dem Einsetzen sexueller Aktivität durchzuführen. (...)

Kritikpunkt 2: Die Belege, dass die humanen Papillomvirus (HPV) Typen 16 und 18 für etwa 70 Prozent aller Gebärmutterhalskrebse verantwortlich seien, seien dünn. (...) Da 13 weitere Papillomvirustypen auch krebserregend sein können, "könnte die Impfung die Krebsgefahr erheblich weniger bannen, als es die Pharmafirmen behaupten".

zur Hausen: Auch umfangreiche globale Studien sind zu einer Rate von etwa 70 Prozent gekommen. Richtig ist, dass in annähernd 20 bis 30 Prozent dieser Krebserkrankungen andere HPV Typen gefunden werden, die zum Teil relativ nahe mit den Prototypen 16 und 18 verwandt sind, so dass bei vorliegenden Antikörpern gegen die Impfviren sogar eine gewisse Kreuzneutralisierung schon theoretisch vorausgesetzt und erwartet werden darf. (...) Dies dürfte eher dafür sprechen, dass der Impfschutz höher als die erwarteten 70 Prozent sein wird.

Kritikpunkt 3: Es sei noch nicht erwiesen, wie viel seltener geimpfte Frauen an Gebärmutterhalskrebs erkranken. In einer aussagekräftigen Studie sei durch die Impfung die Zahl der Krebsvorstufen nur um 17 Prozent gesenkt worden.

zur Hausen: Richtig ist, dass nur 17 Prozent weniger HPV 16 und 18 bedingte Krebsvorstufen bei bereits sexuell aktiven Frauen auftraten, während bisher nicht sexuell aktive Frauen zu 98 Prozent geschützt waren.

Kritikpunkt 4: Kaum eine der HPV- Infektionen führe zu Krebs. (...) Andere Typen könnten die Rolle der Typen übernehmen, gegen die jetzt geimpft werde.

Impfschutz könnte sogar höher als 70 Prozent sein.

zur Hausen: In Deutschland sind es immerhin - auf einen 50-Jahreszeitraum des Erwachsenenalters bezogen - nach eigenen Berechnungen etwa 1,1 Prozent der infizierten Frauen, die später an Gebärmutterhalskrebs erkranken. Auf den gleichen Zeitraum bezogen sind dies immerhin annähernd 400 000 Frauen. Sicherlich entscheidender aber ist - was von den Experten im wiedergegebenen Bericht nicht diskutiert wird - nämlich die hohe Zahl operativer Eingriffe aufgrund von Krebsvorstufen. (...) Die Frage, ob andere Typen bei Impfung die Rolle von 16 und 18 übernehmen könnten, wird vielfältig diskutiert, ohne dass hierfür bisher Anhaltspunkte vorliegen.

Kritikpunkt 5. Die Massenimpfung mit dem "teuersten Impfstoff aller Zeiten könnte sich als eine gigantische Fehlinvestition erweisen".

zur Hausen: In der Tat habe ich auch selber bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hingewiesen, dass der Impfstoff zurzeit zu teuer ist. Dies gilt in besonderer Weise für Entwicklungsländer, in denen Gebärmutterhalskrebs zum Teil die häufigste Krebserkrankung von Frauen darstellt. Nach meiner Kenntnis haben aber bereits einige Länder, etwa Mexiko und Großbritannien, Verträge mit Herstellerfirmen zu deutlich verbilligten Preisen abgeschlossen.(...)

Auch wenn in der Tat die Verhütung von Gebärmutterhalskrebs selbst durch die Impfung noch nicht belegt werden kann, da die Impfstoffe erst seit etwa 2 Jahren zur Verfügung stehen und die Latenzzeit zwischen Infektion und Krebsentwicklung etwa 2 bis 3 Jahrzehnte in Anspruch nimmt, ist inzwischen die Verhütung der notwendigen Vorstufen dieses Krebses durch die Impfung eindeutig belegt.

(...) Sollen die Mütter, wie ihnen im Zeitungsbericht empfohlen wird, wirklich die 20 bis 30 Jahre warten, in denen nicht nur wie bisher die Vorstufen dieses Krebses verhütet werden, sondern auch der endgültige Nachweis der Wirksamkeit dieser Impfung (...) erbracht wird? In diesem Zeitraum werden über nur 20 Jahre milde kalkuliert dann insgesamt etwa 120 000 ihrer Töchter an Gebärmutterhalskrebs erkranken und nach gegenwärtigem Stand annähernd 34 000 daran versterben.

Die ganze Stellungnahme im Internet http://faz-community.faz.net/blogs unter "Planckton"

Lesen Sie dazu auch: Krebsimpfung: Kritik wird zurückgewiesen

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