Gastkommentar

Kein Zögern - gleich Koloskopie!

Von Jürgen Riemann Veröffentlicht:
Der Gastroenterologe Professor Jürgen F. Riemann ist Vorsitzender der Stiftung LebensBlicke.

Der Gastroenterologe Professor Jürgen F. Riemann ist Vorsitzender der Stiftung LebensBlicke.

© Stiftung LebensBlicke

Eine Mitteilung über die steigende Häufung von Rektumkarzinomen bei Menschen unter 40 Jahren in den USA, sehr hochrangig publiziert, überrascht und beunruhigt zugleich. Haben wir doch gerade erst hierzulande die gute Botschaft erfahren, dass etwa durch die 2002 in die GKV eingeführte Vorsorgekoloskopie die Inzidenz des Dickdarmkarzinoms trotz der demografischen Entwicklung nicht mehr dramatisch steigt und die Mortalität langsam sinkt.

Dank intensiver Öffentlichkeitsarbeit, etwa von der Felix Burda Stiftung und der Stiftung LebensBlicke (www.lebensblicke.de) ist das Bewusstsein für Vorsorge in der Bevölkerung sehr gewachsen, allen Unkenrufen so mancher Kritiker zum Trotz. Die Menschen wissen, dass es sehr erfolgreiche Maßnahmen zur Darmkrebsfrüherkennung gibt, nehmen sie aber noch nicht ausreichend in Anspruch. Eine Allensbach-Studie der Stiftung LebensBlicke 2008 belegt diese kognitive Dissonanz.

Und nun diese Studie, die aufhorchen lässt und die Frage aufwirft, ob bei uns eine ähnliche Tendenz besteht. Das Krebsregister Saarland gibt darauf zumindest partiell Auskunft. Dr. Lutz Altenhofen vom ZI hat eine Sonderauswertung von 1970 bis 2005 bei Personen bis 39 Jahren vorgenommen. Resultat: Es sind zwar immer wieder Peaks zu beobachten, ein genereller Anstieg aber nicht. Die Inzidenz erreicht in einzelnen Jahren bei Frauen maximal 2,3, bei Männern 2 pro 100 000, eine Häufung ist nicht erkennbar.

Was könnte als Ursache für die gegenteilige Beobachtung in den USA in Frage kommen? Den Autoren zufolge sind genetische, ethnische und demografische Faktoren ein Schlüssel zum Verständnis. Entscheidend aber dürfte sein, dass in dem SEER-Register nicht zu erkennen ist, ob diese Gruppe eine familiäre Dickdarmkrebsbelastung hatte und damit einer Risikogruppe zuzuordnen war.

Welche Konsequenzen sind aus diesen Daten zu ziehen? Erstens: Es wird höchste Zeit, bei uns Fragebogen in die GKV einzuführen, die das familiäre Risiko berücksichtigen und die Menschen informieren, ob sie bei einer Familienanamnese die Koloskopie nicht früher wahrnehmen wollen. Zweitens: Wenn junge Menschen sich mit klinischen Zeichen wie Blut im Stuhl, Verstopfung oder Durchfall (im Wechsel oder länger anhaltend) bei ihrem Arzt vorstellen, so sollte dieser nicht zögern, umgehend eine Koloskopie zu veranlassen, Hämorrhoiden hin oder her!

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