ASS

Darmkrebsschutz um welchen Preis?

Treibt man den "Teufel" Darmkrebs mit dem "Beelzebub" ASS aus? In der Women's Health Study sank das Risiko eines kolorektalen Karzinoms bei Einnahme von Aspirin an jedem zweiten Tag - dafür gab es aber mehr Blutungen und Magengeschwüre.

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Sieht so ASS aus?

Sieht so ASS aus?

© Mara Zemgaliete / fotolia.com

BOSTON. Mehrere Metaanalysen legen den Nutzen von Acetylsalicylsäure (ASS) gegen verschiedene Krebsarten nahe. Vor allem gegen Darmkrebs scheint die Substanz eine gewisse Schutzwirkung zu entfalten.

In keiner der Metaanalysen war jedoch die Women's Health Study (WHS) berücksichtigt, eine der größten randomisierten Studien zu den Folgen einer langfristigen ASS-Einnahme.

Der Grund: Die Interventionsgruppe der WHS - rund 20.000 Frauen über 45 - nahm nicht täglich, sondern nur jeden zweiten Tag eine 100-mg-Tablette ein.

Darmkrebsrisiko um 20 Prozent gesenkt

Wie die Forscher um Nancy R. Cook vom Brigham and Women's Hospital in Boston berichten, reichte diese geringe Dosierung über im Schnitt zehn Jahre aus, um das Darmkrebsrisiko gegenüber einer Placebo-Gruppe (ebenfalls rund 20.000 Frauen) um 20% zu senken.

Nach Beendigung der aktiven Phase hatten die Forscher die Frauen weiter beobachtet. 18 Jahre nach Beginn der Randomisierung waren 5071 Frauen an einem malignen Tumor erkrankt, davon 451 an einem Kolonkarzinom.

Während sich die Karzinomfälle insgesamt die Waage hielten (HR 0,97), fand sich ein deutlicher Unterschied in der Inzidenz des kolorektalen Karzinoms: In der ASS-Gruppe lag diese bei 0,011, in der Placebo-Gruppe bei 0,014 (p = 0,021; HR 0,80). Auffällig war, dass sich der Unterschied erst zehn Jahre nach Studienbeginn manifestierte.

Wie sich am Ende des Follow-up zeigte, waren in der Aspiringruppe aber auch signifikant mehr gastrointestinale Blutungen aufgetreten (HR 1,14) (Ann Intern Med. 2013;159(2):77-85).

Dieser Unterschied war allein auf die aktive Phase zurückzuführen, in der die Frauen regelmäßig alle zwei Tage Aspirin geschluckt hatten. Unter ASS-Einnahme hatte sich auch die Inzidenz der Magengeschwüre deutlich erhöht (HR 1,17).

Kolonpolypen wurden bei insgesamt 10.332 Frauen festgestellt, und zwar in beiden Gruppen mit etwa gleicher Häufigkeit (HR 1,00). Die Zahl der Endoskopien war in beiden Gruppen ebenfalls fast gleich.

Dies zeigt, so Cook et al., dass die geringere Darmkrebsrate in der Aspiringruppe nicht dadurch zustande gekommen war, dass die Patientinnen etwa wegen Blutungen aus dem Magen-Darm-Trakt häufiger endoskopiert wurden (wodurch man mehr Krebsvorstadien hätte erkennen können).

Keine Empfehlung der Forscher

Die Forscher vermuten, dass Aspirin - auch in geringen Dosen - in frühe Stadien der Karzinogenese eingreift, möglicherweise durch Hemmung der Cyklooxygenase-(COX-)2 in der Darmmukosa.

Dies würde auch erklären, warum der Unterschied in der Karzinominzidenz zwischen den beiden Gruppen erst nach zehn Jahren zum Tragen kam.

Dennoch: Für die Primärprävention würden Cook und Kollegen ASS zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht empfehlen. Selbst die in der WHS verwendete niedrige Dosierung alle zwei Tage führte zu einem Nettoanstieg der gastrointestinalen Blutungen um 193 Fälle und der Magengeschwüre um 214 Fälle.

Die 53 Magen- und Darmkrebsfälle sowie 47 Schlaganfälle, die sich in der Studie durch das Medikament verhindern ließen, würden diesen Schaden nicht aufwiegen, so die Forscher. (EO)

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