Modellrechnung

Mehr Männer mit Darmkrebs als vermutet?

Mit enzymatischen Tests auf okkultes Blut lässt sich Darmkrebs aufspüren - bei Männern klappt das offenbar aber schlechter als bei Frauen. Denn auch wenn der Hämoccult-Test negativ ausfiel, wurden später kolorektale Tumoren gefunden.

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Auch wenn ihr Hämoccult-Test negativ ausgefallen war, wurden bei Männern mittels der Koloskopie Darmkarzinome entdeckt.

Auch wenn ihr Hämoccult-Test negativ ausgefallen war, wurden bei Männern mittels der Koloskopie Darmkarzinome entdeckt.

© Klaus Rose

HEIDELBERG. Modellrechnungen zufolge liefern in der Darmkrebsdiagnostik enzymatische Tests auf okkultes Blut bei Frauen und Männern offenbar unterschiedliche Ergebnisse.

Demnach treten bei Männern mit einem negativen Hämoccult-Test mehr kolorektale Neoplasien auf als bei Frauen mit einem positiven Test, egal in welcher Altersgruppe.

Mit einer Zahl von 33.800 Patienten erkrankten 2010 deutlich mehr Männer an Darmkrebs als Frauen mit einer Inzidenz von 28.620, wie der aktuellen Broschüre "Krebs in Deutschland" des Robert-Koch-Instituts zu entnehmen ist.

Und der Unterschied wird vermutlich im Jahr 2014 noch größer sein: geschätzte Neuerkrankungen bei Männern 35.500 und bei Frauen 28.400.

Um den Nutzen von enzymatischen Tests beim Darmkrebsscreening besser beurteilen zu können, werteten unter anderem Heidelberger Wissenschaftler um Professor Hermann Brenner zwischen 2007 und 2009 von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns erhobene Daten aus.

Sie wurden von mehr als 80% der Ärzte in Bayern, die koloskopieren, geliefert (Int J Cancer 2013: online 11. Dezember).

Daten von mehr als 200.000 Männern und Frauen

Brenner und seine Kollegen nutzten für ihre Studie die Daten von fast 183.000 Frauen und Männern, die im Zusammenhang mit einem primären Screening koloskopiert worden waren, sowie von knapp 21.000 Männern und Frauen, bei denen eine Koloskopie erst nach einem positiven enzymatischen Test auf okkultes Blut vorgenommen worden war. Die Patienten waren zwischen 55 und 74 Jahre alt.

Mit einem Anteil von 58% wurden die meisten Screening-Koloskopien in der Altersgruppe zwischen 55 und 64 Jahren vorgenommen, die meisten Koloskopien nach einem positiven Enzymtest jedoch in der Gruppe der 65- bis 74-Jährigen (56%).

Und: Die Zahl der per Koloskopie entdeckten kolorektalen Karzinome war bei Männern höher als bei Frauen (27.099 versus 20.754), was auch für die Prävalenz der nach einem positiven Enzymtest koloskopisch entdeckten Karzinome zutraf (42,1% versus 27,6%).

Fokus auf fortgeschrittenen Darmkrebserkrankungen

Bei ausschließlicher Betrachtung der Teilnehmer mit fortgeschrittenen Darmkrebserkrankungen lag die Prävalenz der per Koloskopie entdeckten Neoplasien bei Männern mit einem Screening und bei Frauen, bei denen erst nach positivem Test die Koloskopie erfolgte, fast gleich hoch (12,3% versus 13,2%).

Um den Zusammenhang zwischen negativem Enzymtest und Prävalenz kolorektaler Karzinome besser beleuchten zu können, machten Brenner und seine Kollegen eine Modellrechnung, die sich auf bisher veröffentlichte Daten zur Sensitivität (7% für jeglichen Darmkrebs, 10% für fortgeschrittene Tumoren) und zur Spezifität (95%) von Hämoccult-Tests stützt.

Der Berechnung zufolge ist die zu erwartende Prävalenz jeglicher Darmtumoren bei Männern mit einem negativen Enzymtest - ihnen wird in Deutschland danach die Koloskopie nicht empfohlen - deutlich höher als bei Frauen mit einem positiven Test, und das unabhängig vom Alter.

So liegt demnach zum Beispiel in der Altersgruppe zwischen 70 und 74 die Prävalenz bei Männern mit negativem Testergebnis bei etwa 35%, bei Frauen mit positivem Test dagegen bei etwa 30%.

Die angenommene Spezifität lag bei 95%

Die Wissenschaftler nahmen eine ähnliche Modellrechnung für die Anwendung immunologischer statt von Enzymtests vor und legten ihr höhere Sensitivitätswerte zugrunde: 15% für jegliche Darmtumoren, 30% für fortgeschrittene Tumoren.

Die angenommene Spezifität lag wie in der anderen Rechnung bei 95%. Hier lag die geschätzte Prävalenz kolorektaler Karzinome bei Männern mit negativem Immuntest deutlich niedriger als bei Frauen mit positivem Test.

Bei Betrachtung ausschließlich von fortgeschrittenen Karzinomen war der Unterschied noch prägnanter, zum Beispiel in der Altersgruppe der 70- bis 74-Jährigen (10% versus etwa 35%).

Die Ergebnisse ihrer Studie seien nicht geeignet, die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Screeningstrategie bei Frauen und Männern zu stützen, so die Wissenschaftler.

Die bevorzugte Anwendung von Immun- statt der Enzymtests könnte aber helfen, die in der Studie beobachteten Unterschiede der Testergebnisse bei Männern und Frauen zu überwinden und damit die Interpretation der Ergebnisse zu verbessern. (ple)

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