Rektumkarzinom

Multimodale Therapie im Fokus

Bei Lokalisation des Rektumkarzinoms im unteren Rektumdrittel ist nicht immer eine Exstirpation erforderlich.

Von Michael Koczorek Veröffentlicht:

DÜSSELDORF. Bei einem tief sitzenden Rektumkarzinom sei es nicht immer möglich, kontinenzerhaltend zu behandeln. Erhebliche Probleme bereiteten die Region von 0-8 cm ab Anum im starren Rektoskop gemessen, der M. sphinkter ani internus und externus sowie die Levatorebene, erklärte Professor Torsten Liersch vom Kompetenzzentrum Koloproktologie der Universitätsmedizin Göttingen auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO).

Gerade solche Patienten bedürften zum Sphinktererhalt einer multimodalen Therapie. Optionen für einen Sphinktererhalt seien chirurgische Techniken und Rekonstruktionsverfahren, Radiotherapie (RT) und Radiochemotherapie (RCT). Liersch: "Nur im Konzert der Disziplinen können wir Fragen zur Verbesserung des Sphinktererhalts klären."

Vorteile durch präoperative RCT

Dass eine präoperative Radiochemotherapie die lokoregionale Rezidivrate auch langfristig signifikant senkt, bestätigten die Ergebnisse der CAO/ ARO/AIO-94-Studie. Zwar konnte das Gesamtüberleben für die Patienten nicht verlängert werden. Die 10-Jahres-Rezidivrate war aber signifikant geringer als unter postoperativer Radiochemotherapie (7,1 vs. 10,1 Prozent) (J Clin Oncol. 2012; 30(16): 1926-33).

Auch in der CAO/ARO/AIO-04-Studie profitierten die Patienten von der präoperativen Radiochemotherapie durch eine bessere lokale Langzeitkontrolle des Tumors (Lancet Oncol. 2012; 13(7): 679-87). Zudem, erklärte Liersch, zeigten die Langzeitdaten, dass Patienten mit pathologischer Komplettremission (pCR) nach RCT ein "exzellentes krankheitsfreies Überleben" und eine geringe Fernmetastasierungsrate hätten.

Beim tief sitzenden Rektumkarzinom sei die primäre Operation keine Option, weil eine R0-Resektion nicht gesichert sei, so Liersch weiter. Er favorisiert eine 5-Fluorouracil (5-FU)-basierte RCT (50,4 Gy). In der CAO/ ARO/AIO-94-Studie wurde damit ein Sphinktererhalt bei 18 Prozent der Patienten erreicht.

Aber auch ein längeres Intervall zwischen Radiochemotherapie und Operation könnte sinnvoll sein, um eine Tumorregression zu nutzen. So hatten niederländische Kollegen gezeigt, dass durch ein längeres Intervall (9-10 Wochen) zwischen neoadjuvanter RCT und Chirurgie die pCR verbessert wird und möglicherweise auch ein vermehrter Sphinktererhalt erzielt werden kann (Br J Surg. 2013; 100(7): 933-9).

Resektion oder Exstirpation?

Als Option für den Sphinktererhalt bei Rektumkarzinomen im unteren Rektumdrittel steht die tiefe bzw. ultratiefe anteriore Resektion (intersphinktäre Resektion, Resektion mit koloanaler Anastomose) zur Verfügung.

Dabei wird bis etwa 3 cm oberhalb der Levatorebene intraabdominell operiert und dann von perianal gegenoperiert, um den Sphinkteroberrand mit zu resezieren. Dazu müsse sichergestellt sein, dass der M. levator ani und der M. Sphinkter ani externus tumorfrei sind und ein Sicherheitsabstand von 1-2 cm gewährleistet ist, konstatierte Liersch.

Die Entscheidung für dieses Vorgehen bleibe bei nicht gesicherter Datenlage individuell. Entscheidend seien die Ergebnisse der digitalen rektalen Untersuchung, Proktoskopie und Rektoskopie, der rektalen Endosonografie und Magnetresonanztomografie für die Aussage, ob eine Levatorbeteiligung vorliegt oder nicht und damit, ob eine sphinktererhaltende Operation mit klassischer StaplerAnastomose oder koloanaler Anastomose möglich ist - oder eben doch eine abdominoperineale Rektumexstirpation (APR) durchgeführt werden muss.

Die "sphincter sparing surgery" mit koloanaler Anastomose bezeichnete Liersch als Herausforderung. "50-70 Prozent der Patienten sind mit der erreichten Kontinenz sehr zufrieden", so Liersch weiter.

Umwandlungen in ein endständiges Deszendostoma seien selten nötig, die Lebensqualität vergleichbar mit APR. Bei End-zu-End-Anastomosen sind erhöhter Stuhldrang und gesteigerte Stuhlfrequenz ein Problem. Darum müsste eine Reservoirfunktion gebildet werden.

Wichtig ist Liersch zufolge, dass der Operateur sein im Vorfeld geplantes Vorgehen nach erfolgter RCT überdenkt und seine Sichtweise u. U. ändert, wenn er primär exstirpieren wollte.

Die 10-Jahres-Daten der CAO/ ARO/AIO-94-Studie zeigten, dass die Konversion einer intendierten APR in eine kontinenzerhaltende Operation nach neoadjuvanter RCT hinsichtlich des Lokalrezidivrisikos der Non-Konversion nicht unterlegen ist.

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