Fanconi-Anämie

Genetiker müssen umdenken

Bisher war bekannt, dass Mutationen, die zur Fanconi-Anämie führen, einem rezessiven Vererbungsgang folgen. Jetzt haben Forscher eine Spontanmutation mit dominant-negativer Genwirkung beobachtet. Das hat Konsequenzen für die genetische Beratung.

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LUXEMBURG. Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Beteiligung des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) der Universität Luxemburg hat eine bisher unbekannte Ursache der Fanconi-Anämie (FA) identifiziert: eine Spontanmutation in einem als RAD51 bezeichneten Gen (Nature Communications 2015; online 18. Dezember).

RAD51 ist wichtig für die Reparatur von Fehlern an der DNA, die unweigerlich bei der Zellteilung auftreten.

Das Team gewann seine Erkenntnisse bei der Untersuchung eines Kindes, das von der Fanconi-Anämie betroffen ist, dabei aber gesunde Eltern und eine gesunde Schwester hat, berichtet die Universität Luxemburg in einer Mitteilung zur Veröffentlichung der Studie.

"Die Mutation bei dem Patienten war für uns eine Überraschung", wird Patrick May von der Forschungsgruppe "Bioinformatics Core" am LCSB der Universität Luxemburg zitiert. "Sie trat nämlich in nur einer der zwei Ausfertigungen des Gens auf, die jeder Mensch in seinen Zellen trägt. Zugleich war keines der RAD51-Gene bei den Eltern von der Mutation betroffen."

Die Schlussfolgerung der Forscher: Der untersuchte Patient ist Träger einer nicht vererbten, sondern einer neu entstandenen Mutation - einer Spontanmutation - im RAD51-Gen.

Bisher war ein rezessiver Vererbungsgang bekannt

Bis zu diesem Fall war der Stand der Forschung, dass Mutationen, die zur Fanconi-Anämie führen, einem rezessiven Vererbungsgang folgen und deshalb von jedem Elternteil mutierte RAD51-Gene weitergegeben werden müssen. Spontanmutationen wie in diesem Fall wurden bisher nicht beobachtet.

"Die Folge der Mutation des RAD51-Gens ist, dass das Protein mit der veränderten Aminosäuresequenz die Aktivität des ebenfalls vorhandenen unveränderten Proteins stört", sagt May. Forscher sprechen hier von einer dominant-negativen Genwirkung.

"So kommt es, dass das Kind an der Fanconi-Anämie erkrankt, obwohl die Eltern nicht Träger der Mutation sind."

Das Ergebnis hat Konsequenzen für die genetische Beratung von Familien mit erhöhtem FA-Risiko, teilt die Universität Luxemburg mit.

Bisher werden Menschen, die Eltern werden wollen und die Verwandte mit Fanconi-Anämie haben, nur daraufhin untersucht, ob eines von 17 Genen, die mit der Erkrankung in Verbindung gebracht werden, eine Mutation zeigt.

Das Risiko, ein krankes Baby zu bekommen, muss für diese Personengruppe nun neu berechnet werden.

"Einblicke, wie das Genprodukt von RAD51 die DNA schützt"

"Darüber hinaus gibt uns das Verständnis der Mutation auch Einblicke, wie das Genprodukt von RAD51 die DNA schützt und wie Störungen bei der DNA-Reparatur zu Leukämie und Tumoren führen können", sagt Patrick May.

"Kenntnisse über die Entstehung menschlicher Krebsarten werden uns helfen, diese Erkrankungen besser und früher zu diagnostizieren und bessere Therapien zu entwickeln. Außerdem können wir eine bisher als schwach angesehene Verbindung zwischen Fanconi-Anämie, geistiger Retardation und Neuroentwicklung stärken. Daran sind Gene des DNA-Reparaturkomplexes beteiligt, die eine Relevanz für die Fanconi-Anämie haben. Ähnliches ist bereits für das Brustkrebs-Gen BRCA1 gezeigt worden."

Die Fanconi-Anämie (FA) ist eine seltene Erkrankung, die mit einer chromosomalen Instabilität verbunden ist und die bei einem von ungefähr 350.000 Neugeborenen auftritt.

Die Betroffenen haben eine erhöhte Anfälligkeit für ein Versagen des Knochenmarks, Leukämie und verschiedene Tumorarten; ihre Lebenserwartung ist deutlich reduziert. (eb)

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