Molekulare Marker sollen helfen, Therapieerfolg abzuschätzen

FRANKFURT AM MAIN (nsi). Fünf bis zehn Jahre dauert es normalerweise, bis sich der langfristige Erfolg einer adjuvanten Tumortherapie abschätzen läßt. Es könnte aber auch schneller gehen, wenn aussagekräftige Marker für Prognose, Ansprechen auf eine Behandlung oder die Entwicklung von Resistenzen verfügbar wären. Ärzte könnten dann ihre Therapiestrategien patientenspezifischer und rascher an die Erfordernisse anpassen. Daß solche Ideen keine Visionen mehr sind, ist beim Innovationsforum Hessen-Biotech im DECHEMA-Haus in Frankfurt am Main deutlich geworden.

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Ein Beispiel ist Brustkrebs, der häufigste Tumor bei Frauen. Professor Manfred Kaufmann, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der Universität Frankfurt, stellte neue Entwicklungen vor, die zur Realisierung maßgeschneiderter Tumortherapien beitragen könnten.

So haben er und seine Mitarbeiter herausgefunden, daß das Ausmaß, wie stark die Steuerregion des Östrogen-Rezeptor-beta-Gens (ER-ß) mit Methylgruppen versehen ist, mit der allmählichen Umwandlung gesunden Brustdrüsengewebes in malignes korreliert: Bereits in mastopathischen und prämalignen Brustdrüsenläsionen wie duktalen Hyperplasien und duktalen Carcinoma in situ findet sich eine teilweise Methylierung dieser Region, verstärkt methyliert ist die DNA-Sequenz dann beim invasiv wachsenden Mamma-Ca.

Ausmaß der Methylierung korreliert mit Malignitätsgrad

Die Frankfurter Forscher haben in einer Studie mit 73 Mammakarzinom-Patientinnen und 60 Frauen mit benignen Veränderungen der Brustdrüse festgestellt, daß die Intensität dieser Methylierung bei invasivem Karzinomwachstum mit der Prognose korreliert: Je stärker die Methylierung, desto bösartiger der Tumor. Die Methylierung dieser Steuerregion, als Promoter bezeichnet, verringert die Syntheserate des Rezeptors. "Die Promotor-Methylierung ist ein früher Marker für die Transformation des Brustdrüsengewebes und könnte ein prädiktiver Marker für den Erfolg einer Hormontherapie sein", sagte Kaufmann.

Außer der Expression von Steroidrezeptoren sei auch die Zahl der Her-2 / neu-Proteine ein Prognose- und möglicherweise ein Response-Marker bei Brustkrebs. Tumoren mit einer übermäßigen Synthese von Her-2 /neu, einem Rezeptor für Wachstumsfaktoren, wachsen sehr aggressiv. Schon jetzt kann das Wachstum von Mammakarzinomen mit Her-2 / neu-Überexpression gezielt durch den Antikörper Trastuzumab (Herceptin®) gebremst werden.

Alternative Therapie soll Gene zum Schweigen bringen

Da auch solide Tumoren systemische Erkrankungen seien, würden systemische Therapien - der Chirurgie vorausgehend - zunehmend klinisch erprobt, sagte Kaufmann. So habe eine Studie 2004 am M.D. Anderson Cancer Center in Houston in Texas ergeben, daß eine primäre, neoadjuvante Behandlung mit Paclitaxel und Anthrazyklinen kombiniert mit Trastuzumab bei einem deutlich höheren Anteil von Patientinnen (67 Prozent) zu einer kompletten pathologisch beurteilten Remission führten als bei Frauen, die primär nur Zytostatika erhalten hatten (25 Prozent mit kompletter Remission).

Alle Studienteilnehmerinnen hatten ein fortgeschrittenes, aber operables Mammakarzinom mit Her-2 / neu-Überexpression und wurden im Anschluß an die systemische Therapie operiert. Eigentlich sollten 164 Probandinnen teilnehmen, wegen des deutlichen Therapievorteils in der Antikörper-behandelten Gruppe wurde die Studie aber bereits nach der 34. Patientin abgebrochen.

Allerdings sprechen nicht alle Frauen mit Brustkrebs und Her-2 / neu-Überexpression auf den Antikörper an. Bei einigen Tumoren, wie Her-2 / neu-überexprimierenden Ovarialkarzinomen, scheint Trastuzumab das Wachstum kaum bremsen zu können.

An der Uniklinik Frankfurt am Main wird deshalb eine alternative, systemische Therapie entwickelt, das "gene silencing": Die Forscher erzeugen RNA-Moleküle, die sich wie eine Haarnadel zu einem kurzen Doppelstrang falten. In die Zelle eingeschleust hemmen diese "small interfering RNAs" (siRNA) spezifisch die Expression des ausgewählten Gens. In vitro führen solche maßgeschneiderten siRNAs nach Angaben von Kaufmann zum vollständigen Verschwinden von Her-2 / neu auf der Oberfläche von Krebszellen, In-vivo-Versuche folgen.

Ein anderer erfolgversprechender Kandidat für eine systemische Therapie bei soliden Tumoren ist die Polo-like-Kinase 1 (PLK1). "PLK1 wird nur in proliferierenden Zellen und vor allem in Tumorzellen synthetisiert", so Professor Klaus Strebhardt von der Frankfurter Uni-Frauenklinik. PLK1 eigne sich vermutlich als prognostischer Marker für viele Malignome.

Eine Gentherapie, bei der übertragene Plasmide die Synthese von PLK1-spezifischer Haarnadel-RNA in der Zelle auslösten, habe in Nacktmäusen das Wachstum verpflanzter Tumoren mehrere Monate lang aufgehalten, so der Forscher. Die Synthese des Eiweißmoleküls eigne sich auch als Verlaufsparameter.

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