Individuelle Krebstherapie scheitert am Geld

BERLIN (gvg). Krebspatientinnen könnten von einer Tumortherapie profitieren, die sich an der Gensignatur orientiert. Die Behandlung könnte sehr viel schneller Wirklichkeit werden, wenn der politische Wille dazu da wäre, kritisiert der Gynäkologe Professor Kurt Werner Possinger von der Charité Berlin.

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Mit genetischen Daten von Tumoren - sogenannten Gensignaturen - lassen sich Patienten identifizieren, die von bestimmten Antitumortherapien besonders stark oder auch gar nicht profitieren können. Vor allem für den Brustkrebs wurden mittlerweile mehrere Gensignaturen entwickelt. Dabei wird die Aktivität meist mehrerer Dutzend Gene gemessen und grafisch dargestellt. Das ist mit Blick auf Krankheitsprognose und/oder Therapieansprechen oft wesentlich aussagekräftiger als klinische Faktoren, die bisher dafür genutzt werden.

Der wichtigste Grund, warum Gensignaturen in der onkologischen Versorgung nicht schon längst Standard seien, liege darin, dass niemand wisse, wie das bezahlt werden solle, so Possinger bei einer Innovationskonferenz des Berliner IGES-Instituts. Weil jeder Angst vor der Rechnung habe, dominiere derzeit Passivität, und zwar sowohl bei Kassen und Politik als auch bei Ärzten.

Dass diese Passivität durchaus auf Kosten der Patienten geht, machte Possinger am Beispiel Brustkrebs klar. Er berichtete von einer 70-Gen-Signatur, die mit Blick auf die Prognose nach Brustkrebsoperation ein zehnfach erhöhtes Sterberisiko und ein über fünffach erhöhtes Rezidivrisiko aufzeigen kann.

Zum Vergleich: Klinische Scores wie der viel genutzte Score Adjuvant Online zeigen nur ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko an.

Zusammen mit klinisch-pathologischen Daten können Gensignaturen als Entscheidungsgrundlage für oder gegen eine adjuvante Therapie bei Brustkrebs genutzt werden. 20 bis 28 Prozent der Patientinnen könne dies eine unnötige Chemotherapie ersparen, so Possinger.

Der Gynäkologe räumte allerdings ein, dass viele Daten im Zusammenhang mit Gensignaturen bisher nur retrospektiv ermittelt worden sind. "Alle für prospektive Studien nötigen Voraussetzungen sind aber erfüllt. Es muss sie nur jemand initiieren und bezahlen", so Possinger.

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