"Active surveillance" - eine neue Option bei lokalisiertem Tumor?

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In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 58 000 Männer an einem Prostata-Ca. An der Erkrankung sterben pro Jahr etwa 6000 Patienten.

Aufgrund intensivierter Vorsorgeuntersuchungen werden mittlerweile immer mehr Prostatakarzinome bereits im Frühstadium entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt ist der Tumor meist asymptomatisch. Und auch die später auftretenden Symptome sind nicht erkrankungsspezifisch: Pollakisurie, imperativer Harndrang, Nykturie, Harnträufeln oder Dysurie, verursacht durch eine Obstruktion der Harnwege oder organüberschreitendes Wachstum bei fortgeschrittenen Tumoren. Auch Hämaturie und Hämatochezie sind spätere Symptome.

Hilfreich für die Früherkennung eines Prostatakarzinoms ist die Bestimmung des PSA-Werts, der bereits im subklinischen Stadium erhöht sein kann. Die Progredienz der Erkrankung korreliert in der Regel mit dem PSA-Wert. Durch frühzeitige und regelmäßige PSA-Wert-Kontrollen sind mehr als 80 Prozent der Prostatakarzinome bei der Diagnosestellung nicht metastasiert, so Professor Irenäus Anton Adamietz vom Marienhospital in Herne in seinem gemeinsam mit Kollegen verfassten zertifizierten Fortbildungsbeitrag zum Prostatakarzinom. Allerdings ist die Aussagekraft des PSA-Werts aufgrund seiner eingeschränkten Sensitivität und Spezifität begrenzt, besonders bei mäßig erhöhten Spiegeln von 4 bis 10 ng / ml.

Ultraschall bei einem Prostata-Ca (oben). Mit Elastografie (unten) ist der Tumor als dunkle Region (Pfeil) zu erkennen.

Ultraschall bei einem Prostata-Ca (oben). Mit Elastografie (unten) ist der Tumor als dunkle Region (Pfeil) zu erkennen.

© Foto: LP-IT

Kritiker des PSA-Tests führen an, dass mit diesem ein klinisch nicht relevantes Karzinom entdeckt wird, das möglicherweise in der verbleibenden Lebenszeit des Patienten nie einen Krankheitswert erreicht hätte.

Deshalb suchen Forscher aufgrund der eingeschränkten Spezifität des PSA-Tests intensiv nach neuen Biomarkern, die einen zuverlässigen prädiktiven Wert haben. Damit soll eine genaue Prognoseeinschätzung möglich sein. Zudem sollen damit Tumoren identifiziert werden können, bei denen eine Therapie zwingend erforderlich ist. Diese Biomarker könnten in Zukunft die Labordiagnostik ergänzen oder die PSA-Wert-Bestimmung ersetzen, hoffen die Autoren.

Bei Patienten mit neu diagnostiziertem, aber symptomlosen Prostatakarzinom stellt sich die Frage, wie weiter prinzipiell vorgegangen werden sollte. Denn nur bei einem Teil der Betroffenen kommt es zur Progression. Eine Option ist die radikale Therapie bei allen Prostatakarzinomen, was jedoch zur Überbehandlung vieler Patienten mit indolenter Erkrankung führen würde. Eine andere Option ist das "watchful waiting", also das Abwarten mit dann palliativer Therapie, wenn es zur Progression kommt. Ein praktikabler Kompromiss zwischen diesen beiden Optionen ist nach Ansicht der Autoren möglicherweise die "active surveillance", also die aktive Überwachung mit selektiver, verzögerter Intervention.

Die "active surveillance" könnte grundsätzlich für viele Patienten eine Alternative zur sofortigen kurativen Therapie -radikale Prostatektomie oder Strahlentherapie - sein. Allerdings gibt es zu dieser Strategie bislang noch relativ wenige prospektive Daten, räumen die Autoren ein: Es sei immer noch unklar, wie die Patienten selektiert werden sollen und welche Kriterien für einen Abbruch der Überwachung und für die Empfehlung einer Intervention herangezogen werden sollen. Hier müssen die Ergebnisse derzeit laufender prospektiver Studien abgewartet werden. (mar)

Zu dem Modul "Prostatakarzinom"

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