Handy-Strahlung

Zwei Studien, zwei Ergebnisse

Wie gefährlich ist Handystrahlung? Mit der steigenden Zahl auch junger Menschen, die ihr Smartphone dauernutzen, wächst die Gruppe der potenziell Betroffenen. Jetzt wurden zwei neue große Studien veröffentlicht, die zu unterschiedlichen Resultaten kommen.

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Handystrahlung könnte Gesundheitsschäden verursachen, sagt eine neue US-Studie aus. Eine australische Studie fand dahingegen kein Gesundheitsrisiko.

Handystrahlung könnte Gesundheitsschäden verursachen, sagt eine neue US-Studie aus. Eine australische Studie fand dahingegen kein Gesundheitsrisiko.

© drubig-photo / Fotolia

WASHINGTON. Können Handys Krebs auslösen? Seit Jahren suchen Wissenschaftler nach Klarheit.

Eine neue Studie aus den USA liefert nun Anzeichen für ein leicht erhöhtes Krebsrisiko im Tierversuch. Eine große epidemiologische Langzeitstudie aus Australien hingegen findet fast zeitgleich keinen Nachweis für erhöhte Krebszahlen in der Bevölkerung. Die Diskussion um potenzielle Gefahren durch die Mikrowellen-Strahlung von Mobiltelefonen wird also weiter mit Leidenschaft geführt - und mit unterschiedlichen Forschungsergebnissen.

Handy-Kritiker horchen auf

Die 25 Millionen US-Dollar (22,4 Mio Euro) teure, von der US-Regierung in Auftrag gegebene Studie lässt Handy-Kritiker erneut aufhorchen: Über mehrere Jahre lang haben Forscher des National Toxicology Program (NTP) mehr als 2500 Ratten und Mäuse mit Mikrowellen der beiden gängigen Übertragungstechnologien, GSM und CDMA, bestrahlt. Zehn Minuten Bestrahlung, zehn Minuten Pause - in diesem Rhythmus wurden die Ratten über zwei Jahre je neun Stunden pro Tag 900 Megahertz-Frequenzen ausgesetzt, die Mäuse 1900 Megahertz. Die Bestrahlung der Ratten erfolgte in drei verschiedenen Stärken.

Das - wegen der ausstehenden Werte für die Mäuse noch vorläufige - Ergebnis: Bei männlichen bestrahlten Ratten entstanden einige Gliome und Schwannome am Herzen. Für das Team um Michael Wyde, National Institute of Environmental Health Sciences, Research Triangle Park (RTP) in North Carolina, ist dies "wahrscheinlich das Ergebnis der Ganzkörper-Bestrahlung mit GSM oder CDMA-modulierten Radiofrequenzen".

Von den jeweils 90 bestrahlten männlichen Ratten in den sechs Testgruppen bekamen bis zu drei Tiere Gliome und bis zu sechs Schwannome. Die 90 Kontrolltiere zeigten keine dieser Veränderungen (bioRxiv 2016; online 26. Mai).

Weibliche Ratten hingegen entwickelten nicht statistisch signifikant mehr Tumore. Auch lebten die bestrahlten Tiere im Schnitt sogar länger als die der Kontrollgruppen, und Tierversuche seien nicht eins zu eins auf Menschen zu übertragen, merkten andere Wissenschaftler in Begleitartikeln prompt kritisch an.

"Möglicherweise krebserregend"

Allerdings entsprachen die Tumore genau denjenigen, die zuvor schon in mehreren epidemiologischen Untersuchungen mit Handystrahlung in Verbindung gebracht worden waren. Und diese waren 2011 Schlüsselfaktoren für die WHO gewesen, Handystrahlung als "möglicherweise krebserregend" einzustufen. In diese Kategorie fallen jedoch auch bestimmte Sorten eingelegten Gemüses und ebenso Kaffee.

Fast zeitgleich mit der großen Tierstudie legten australische Wissenschaftler Ergebnisse einer rund 30 Jahre laufenden Langzeitstudie vor. "Wir fanden keinen Anstieg bei der Gehirntumor-Häufigkeit, die dem steilen Anstieg der Mobilfunk-Nutzung entsprochen hätte", berichten Simon Chapman, School of Public Health, University of Sydney, und Kollegen im Journal "Cancer Epidemiology" (2016, online 4. Mai).

Den Wissenschaftlern nutzte dabei das verpflichtende Krebsregister Australiens, für das sie zwischen 1982 und 2012 die Hirntumor-Diagnosen von 19.800 Männern und 14.200 Frauen zwischen 20 und 84 Jahren sichteten. 1987 wurden in Australien die ersten Handys genutzt, 2014 telefonierten 94 Prozent der Bevölkerung mit ihnen.

Nur bessere Diagnostik?

Die Wissenschaftler erwarteten auf Basis vorheriger Untersuchungen eigentlich eine deutliche Steigerung bei den Krebsfällen. Doch dies blieb aus. Einen leichten Anstieg der Krebs-Diagnosen bei den Männern in diesem Zeitraum erklären die Forscher mit besseren Diagnosemethoden.

Allerdings bleibt auch diese Studie nicht unangefochten.

Biotechnologie-Experte Professor Dariusz Leszczynski von der Universität Helsinki, der die WHO 2011 bei ihrer Entscheidung beraten hatte, hält die zugrundegelegte Latenzzeit von zehn Jahren für die Entwicklung eines Tumors für zu gering. "Außerdem sollte die irreführende Behauptung von 29 Jahre Mobilfunk-Nutzung durch höchstens 15 Jahre ersetzt werden, als die Handys wirklich verbreitet waren", kritisiert er in seinem Blog. (dpa)

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