KOMMENTAR

Genaue Anamnese zahlt sich aus

Von Siegmund Kalinski Veröffentlicht:

Es ist fast nicht zu glauben, was mancher schluckt - und schlucken kann. Nicht nur in übertragenem Sinn, sondern wörtlich. Schon im Studium stellte uns unser Chirurgieprofessor öfter unverdauliche Dinge vor, die im Magen-Darm-Trakt von Patienten gefunden wurden. Besonders sind mir da Nägel und Haken in Erinnerung geblieben, die ein junger Mann aus Liebeskummer geschluckt hatte.

Auch in meiner Praxis hatte ich von Zeit zu Zeit Patienten mit unklaren gastrischen Beschwerden, bei denen sich unverdaute Fremdelemente als Ursache herausstellten. Oft konnte man schon nach genauer Anamnese den "Verursacher" entlarven, ohne eine Magen-Darm-Passage zu veranlassen und ohne einen Chirurgen zu bemühen.

Ich kann mich sehr genau an einen 78jährigen rüstigen Rentner erinnern, der im Heißhunger zwei Rollmöpse samt Holzspießchen geschluckt hatte. In einer langen, zähen Anamnese konnte sich der Mann schließlich daran erinnern. Ich bat ihn, einen gleichen Rollmops zu kaufen und ihn mir zu bringen.

Es zeigte sich, daß die Spießchen an den Enden abgerundet waren und keine Perforationsgefahr bestand. Bei kontrollierter Darmentleerung fanden sich die Spießchen später wieder.

Routine und Erfahrung zeichnen jeden guten Arzt aus. Eine genaue Anamnese kostet zwar viel Zeit, kann dem Patienten unter Umständen aber eine Odyssee bei mehreren Spezialisten ersparen. Eine Odyssee, die in diesem Fall sowieso kein Ergebnis hätte bringen können, weil der Casus inzwischen auf natürlichem Weg entsorgt wurde.

Dr. Siegmund Kalinski ist Allgemeinmediziner aus Frankfurt am Main und langjähriger Mitarbeiter der "Ärzte Zeitung".

Lesen Sie dazu auch: Ösophagus-Perforation als Pharyngitis verkannt

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