Mit Enzian Blähungen bekämpfen

Reizmagen und Reizdarm sind zwar keine organisch gravierenden Krankheiten, machen den Betroffenen aber zu schaffen. Pflanzliche Arzneien und ein gesunder Lebensstil bringen oft Linderung.

Ruth NeyVon Ruth Ney Veröffentlicht:
Bei Patienten mit Reizmagen ist organisch meist alles o.k.

Bei Patienten mit Reizmagen ist organisch meist alles o.k.

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Mit einer geschätzten Prävalenz von 20 Prozent gehört der Reizmagen (funktionelle Dyspepsie/FD) zu den am häufigsten in der Arztpraxis vorgebrachten Beschwerden. Viele Patienten haben außer Beschwerden im oberen Gastrointestinaltrakt ebenso Symptome im unteren (Reizdarm).

Die Erkenntnisse über die Krankheitsursachen sind nach wie vor unzureichend. Vor allem Motilitäts- und Perzeptionsstörungen sowie somatische Störungen werden als mögliche pathogenetische Mechanismen diskutiert. Unklar ist nach wie vor die Rolle des bei vielen FD-Patienten nachgewiesenen Magenkeims H. pylori.

Daher ist die Diagnose in der Regel nur über den Ausschluss organischer Erkrankungen zu stellen - für Patienten eine oft unbefriedigende Situation, haben sie doch heftige, die Alltagsaktivität einschränkende Beschwerden. Eine intensive Beratung über das Wesen der Erkrankung ist daher außer einer symptomorientierten Therapie maßgeblich für den Behandlungserfolg.

Therapeutikawahl richtet sich nach Beschwerdebild

"Finden sich in der klinischen Untersuchung, eventuell ergänzt durch eine Sonographie, und bei einer orientierenden Laboruntersuchung keine Besonderheiten, mache ich eine Therapie ex juvantibus für zunächst sechs bis acht Wochen", erläutert Dr. Jürgen Bethscheider aus Schiffweiler sein Vorgehen in der Praxis.

Dem Allgemeinarzt, der auch an den Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) mitgewirkt hat, kommt es in der Beratung darauf an, die Patienten zunächst zur Änderung des Lebensstils zu bewegen. Dazu gehören vermehrte körperliche Aktivität, Reduzierung von Tabak- und Alkoholkonsum, Stressabbau und kleine, leichte Mahlzeiten - eine spezifische Diät gibt es jedoch nicht.

Ziel der Therapie ist es darüber hinaus, die subjektiv oft starken, und von Patient zu Patient heterogenen Beschwerden wie Sodbrennen, Meteorismus, Völlegefühl, Übelkeit, Magenkrämpfe, Durchfall oder Verstopfung gezielt zu lindern. Das gelingt oft mit nichtverschreibungspflichtigen Präparaten, die auf dem Grünen Rezept verordnet werden können.

Bethscheider setzt dabei vor allem auf die Phytotherapie. Nach seinen Erfahrungen hat sich eine Kombination aus bitterer Schleifenblume, Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmel- und Mariendistelfrüchten, Melissenblättern, Schöllkraut und Pfefferminzblättern bewährt.

In mehreren klinischen Studien wurde damit ein schmerzlindernder, motilitätsfördernder, reflux- und entzündungshemmender Effekt nachgewiesen. So waren in einer Vergleichsstudie mit Metoclopramid signifikant mehr Patienten durch das Phytotherapeutikum beschwerdefrei (Z Gastroenterol 2007, 45:1041-1048)

Speziell gegen gasassoziierte Beschwerden wie Magendrücken, Völlegefühl, Blähungen und vorzeitiges Sättigungsgefühl können ebenfalls pflanzliche Zubereitungen helfen, etwas solche mit Enzianwurzel, Kümmelfrüchten, Pfefferminz- und Artischockenblättern.

Dabei regen die Bitterstoffe im Enzian die Verdauung an. Die ätherischen Öle in Kümmel und Pfefferminze wirken krampflösend und Artischockenextrakte regen den Gallenfluss an und verbessern so die Fettverdauung. Positive Effekte wurden sowohl für Fertigarzneimittel mit Pfefferminzöl als auch standardisierten Artischockenextrakt (900-1800 mg/Tag) nachgewiesen.

Wichtig bei Patienten mit chronisch azider Gastritis: Pfefferminzöldosen über 100 mg sollten in Kapselform eingenommen werden. Bei der Einnahme magensaftresistenter Kapseln sollte zudem ein Abstand von mindestens einer Stunde zu Antacida eingehalten werden.

Protonenpumpenhemmer bei Refluxsymptomatik

Zur Elimination gastrointestinaler Gase kann außerdem der synthetische Wirkstoff Simeticon verordnet werden. Dieser hat sich z. B. in einer Dosierung von dreimal täglich 84 mg in einer älteren Studie als ebenso effektiv wie Cisaprid (nicht mehr auf dem Markt) erwiesen.

Zur Verbesserung der Verdauungsprozesse kann ergänzend Pankreatin, ein Gemisch aus Enzymen der Bauchspeicheldrüse, verordnet werden. Bei krampfartigen Schmerzen im Verdauungstrakt wirkt wiederum Butylscopolamin oft lindernd.

Nach den Empfehlungen der AkdÄ gehören zudem säurehemmende Pharmaka zu den wichtigsten Subs-tanzen in der FD-Therapie, wenn eine Refluxsymptomatik und Ulkus-ähnliche Schmerzen im Vordergrund der Beschwerden stehen. In Studien haben sich sowohl H2-Antagonisten wie auch Protonenpumpenhemmer als wirksam bei FD gezeigt, so die AkdÄ.

In beiden Wirkstoffgruppen gibt es mit Famotidin/Ranitidin und Omeprazol/Pantoprazol rezeptfreie Arzneimittel. Die AkdÄ empfiehlt Omeprazol (10-20 mg/Tag) als Mittel der ersten Wahl.

Wohltuende Wärme bei dyspeptischen Beschwerden

Bei dyspeptischen Beschwerden werden vorwiegend Arzneidrogen eingesetzt, die die gastrointestinale Motorik anregen (Amara/Aromatika) und dadurch Völlegefühl, Meteorismus, Oberbauchbeschwerden und Krämpfe lindern, sowie Ätherisch-Öl-Drogen, die spasmolytisch, peristaltikfördernd und antibakteriell wirken.

Häufig in Tees genutzte Pflanzenbestandteile sind: Angelika-, Enzian- und Löwenzahnwurzel, Pomeranzenschalen und Pfefferminzblätter, Schafgarben-, Tausendgülden- und Wermutkraut, Fenchel-, Kümmel und Korianderfrüchte sowie Kamillenblüten. Bewährte Rezepturen für Magentees, die je nach Beschwerdebild individuell auswählt und verordnet werden können, enthält das NRF(Neues Rezeptur Formularium.

So wirkt eine Mischung aus gleichen Teilen Kümmelfrüchten, Kamillenblüten, Pfefferminzblättern und Baldrianwurzel entblähend und spasmolytisch. Ist auch eine cholagoge, appetitanregende Wirkung gewünscht, kann eine Teemischung aus Angelikawurzel (20,0), Schafgarbenkraut (30,0), Tausendgüldenkraut (10,0) und Wermutkraut (10,0) helfen.

Ein wichtiger Hinweis für Patienten, die Tees mit Angelikawurzel erhalten, ist, dass sie auf längere Lichtbäder verzichten sollten. Die enthaltenen Furocumarine erhöhen die UV-Lichtempfindlichkeit der Haut.

Kamillenblüten haben sich zudem als Rollkur, regelmäßig über zwei Wochen ausgeführt, bei spastischen Bewerden und vermehrter Säurebildung/Reflux bewährt. Hierbei wird frisch gebrühter Tee oder ein Glas mit warmem Wasser und 30-50 Tropfen Extrakt zu einem Viertel nüchtern getrunken, dann in Rückenlage fünf Minuten geruht. Beim Wechsel auf die linke Seitenlage, Bauchlage und rechte Seitenlage wird je ein weiteres Viertel getrunken. (run)

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