Leberversagen

Hoffnung auf Heilung

Berliner Forscher entwickeln einen neuen Therapieansatz gegen akutes Leberversagen. Tierexperimentell ist er schon ein Erfolg: Mäuse genesen so vollständig.

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Leber im Blick: Forscher entwickeln eine neue Therapie gegen das akute Versagen.

Leber im Blick: Forscher entwickeln eine neue Therapie gegen das akute Versagen.

© Springer Verlag

BERLIN (eb). Bei akutem Leberversagen gibt es bekannterweise nur wenige Therapiemöglichkeiten. Das gilt vor allem, wenn das Leberversagen schon weit fortgeschritten ist. Als letzter Ausweg gilt dann eine Lebertransplantation.

Jetzt haben der Mediziner Dr. Junfeng An vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und der Internist und Kardiologe Dr. Stefan Donath, ebenfalls MDC sowie Helios Klinikum Berlin-Buch, mit Mäusen einen neuen Therapieansatz entwickelt, bei dem die Tiere vollständig genesen (Hepatology 2012; 56: 715-726).

Die Forscher hoffen, ihren neuen Ansatz bald in klinischen Studien mit Patienten prüfen zu können, teilt das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch in der Helmholtz-Gemeinschaft mit.

Eine Hauptursache: Vergiftung durch Pilze

In Deutschland erkranken nach einer 2011 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Übersicht schätzungsweise 200 bis 500 Patienten an akutem Leberversagen, berichtet das MDC.

Vergiftungen mit Pilzen und Medikamenten zählen zu den Hauptursachen. In Südeuropa, Afrika und Asien gilt eine akute Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus als Hauptauslöser.

Für ihren Therapieansatz setzten die Forscher einen vor wenigen Jahren entdeckten körpereigenen Überlebensschalter ein, das Protein ARC (Apoptose Repressor mit Caspasen-Rekrutierungsdomäne).

ARC kommt im Herzen, im Gehirn und im Skelett vor, nicht aber in der Leber, heißt es in der Mitteilung des MDC. Donath habe 2006 zeigen können, dass Herzmuskelzellen bei Herzversagen durch Apoptose zugrunde gehen, dass ARC aber die Herzzellen vor dem Untergang bewahrt.

Verstärkte Apoptose soll gestoppt werden

Die Apoptose hat ja die Aufgabe, den Körper vor kranken oder defekten Zellen zu schützen. In der Krebsforschung bemühen sich Wissenschaftler deshalb, dieses Programm für eine Therapie zu nutzen.

Ziel ist, die Apoptose, die bei Tumorzellen außer Gefecht gesetzt ist und die die Krebszellen deshalb unkontrolliert wachsen lässt, wieder anzuschalten, um die wuchernden Krebszellen in den programmierten Selbstmord zu treiben.

Bei akutem Leberversagen hingegen gehen zum Schaden des Betroffenen verstärkt Leberzellen durch Apoptose zugrunde. Diesen Untergang der Zellen versucht die Medizin zu stoppen, mit mäßigem Erfolg.

Donath und seine Mitarbeiter koppelten jetzt ARC an ein nichtinfektiöses Stück des AIDS-Virus HIV, kurz TAT genannt, berichtet das MDC. TAT benutzten sie als Shuttle, um den Überlebensschalter in die Leber zu bekommen. Sie injizierten das Konstrukt über die Vene oder das Bauchfell in Mäuse mit akutem Leberversagen.

Absterben der Leberzellen lässt sich aufhalten

"Innerhalb weniger Minuten gelangte das Fusionsprotein TAT-ARC in die Leber der Tiere und begann sofort zu wirken. ARC konnte das Absterben der Leberzellen aufhalten und die Tiere wurden alle vollständig geheilt", wird Donath in der Mitteilung des MDC zitiert.

"Dass ARC so rasch wirkt, ist ein großer Vorteil, denn im Notfall bleibt für eine Behandlung nicht viel Zeit. Und wenn der große Schaden überstanden ist, kann sich die Leber wieder sehr gut selbst regenerieren".

"Hinzu kommt, ARC gelangt über das Blut nicht nur in die Leber, sondern auch in andere Organe. Da der Überlebensschalter den Zellen aber nur für kurze Zeit verabreicht wird, kann ein Krebsrisiko weitgehend ausgeschlossen werden", betont der Internist.

Therapieansatz soll bald klinisch geprüft werden

Bei ihren Untersuchungen hätten die Forscher auch einen neuen Wirkmechanismus von ARC entdeckt, der offenbar für die schützende Funktion dieses Proteins auf die Leber verantwortlich ist, so das MDC.

Es hemmt die Aktivität eines Moleküls (JNK), das in Immunzellen der Leber aktiviert wird und krankhafte Prozesse auslöst, wodurch ein anderes Molekül (TNF-alpha) freigesetzt wird, das die Leberzellen zum Absterben bringt.

ARC schützt damit die Leberzellen vor dem Untergang. Die Forscher hoffen, ihren Therapieansatz bald in klinischen Studien mit Patienten prüfen zu können.

Donath und das MDC haben das Fusionsprotein TAT-ARC im Rahmen des akuten Leberversagen patentieren lassen, teilt das MDC mit. Das Forschungsprojekt werde mit dem sogenannten MDC Pre-Go-Bio-Projekt gefördert.

Das ist eine MDC interne Projektförderung, die den Transfer in der Grundlagenforschung gewonnener diagnostischer oder therapeutischer Verfahren in die klinische Anwendung unterstützt.

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