Volumenersatz bei Bauch-Op

Mehr Blutverluste mit HES

Hydroxyethylstärke (HES) während eines bauchchirurgischen Eingriffs kann offenbar zu erheblichen Blutverlusten führen. In einer dänischen Studie verloren die Patienten unter HES doppelt so viel Blut wie beim Einsatz von Ringerlösung.

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HES hängt schon.

HES hängt schon.

© Jochen Tack / imago

KOPENHAGEN. Hydroxyethylstärke (HES) wurde in der Vergangenheit routinemäßig als kolloidaler Volumenersatz verabreicht, sowohl in der Notfallmedizin als auch auf Intensivstationen sowie bei großen Operationen. Jüngste Studienergebnisse haben jedoch zu großer Verunsicherung geführt.

Vor allem der Zusammenhang mit erheblichen Risiken für die Niere hatte die europäische Überwachungsbehörde PRAC (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee) veranlasst, im Juni 2013 einen Bannspruch zu fällen: Die Behörde riet dringend dazu, die Marktzulassung HES-haltiger Produkte zurückzuziehen.

Noch im selben Monat folgte das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit der Empfehlung, auf die Anwendung zu verzichten. Nach einer abschließenden Bewertung der PRAC im Oktober 2013 soll HES nun bei folgenden Indikationen nicht mehr eingesetzt werden: im Falle einer Sepsis, bei Patienten mit Verbrennungen oder bei kritisch Kranken mit einem erhöhten Risiko für Nierenfunktionsstörungen.

Grundsätzlich ist HES bei Patienten mit akuter, durch Blutverlust verursachter Hypovolämie nach Ausschöpfung einer Therapie mit Kristalloiden weiterhin erlaubt - wenngleich mit Vorsicht zu genießen; dies gilt auch unter einem anderen Aspekt als dem der Nierenschädigung.

Wie dänische Ärzte aktuell zeigen konnten, erlitten Patienten während eines bauchchirurgischen Eingriffs unter HES doppelt so hohe Blutverluste wie eine Vergleichsgruppe, die Ringerlaktat erhalten hatte (Ann Surg 2014; 259(2): 249-254).

Kirsten C. Rasmussen und Kollegen von der Universität Kopenhagen hatten in ihre Studie insgesamt 40 Teilnehmer aufgenommen, denen eine elektive Zystektomie bevorstand. 20 wurden der HES-Gruppe zugelost; diese erhielten als Volumenersatz HES 130/0.4, im Durchschnitt 33,3 ml/kg. Die andere Hälfte bildete die Vergleichsgruppe; ihnen wurden 35 ml/kg Ringerlaktat infundiert.

Neue deutsche Leitlinie in Vorbereitung

Der während der anschließenden Op erlittene Blutverlust betrug in der HES-Gruppe im Schnitt 2181 ml, die Gruppe mit der Ringerlösung verlor 1370 ml. Der Unterschied war signifikant.

Eine Bluttransfusion während des Eingriffs war bei 41 Prozent gegenüber sechs Prozent erforderlich. Alle fünf Patienten, die mehr als 2500 ml Blut verloren hatten, hatten das HES-Präparat erhalten. Daraus ergibt sich ein über 14-fach erhöhtes Risiko für einen Blutverlust dieses Ausmaßes.

Dagegen zeigten die beiden Gruppen vergleichbare Raten zur Morbidität und Häufigkeit von Reoperationen; dies obwohl die Ringerlaktat-Gruppe etwa zweimal so viel Gesamtflüssigkeit erhalten hatte.

Wie thrombelastometrische Untersuchungen zeigten, hatte die Gabe von HES 130/0.4 zu einer signifikant verminderten Gerinnselfestigkeit geführt. Auch die Fibrinogen- und Plättchenwerte hatten stärker abgenommen als bei den mit Ringerlösung behandelten Patienten. Im selben Zug war die INR bei den HES-Patienten im Vergleich signifikant stärker gestiegen.

"Die HES-Infusionen während der Zystektomie haben die Gerinnungskompetenz maßgeblich verschlechtert", resümieren Rasmussen und ihr Team. Dies sei dadurch zustande gekommen, dass die künstlichen Kolloide die Bildung von Fibrinogen-Polymeren unterbinden. Ein Gerinnsel mit weniger Fibrin sei weniger elastisch und dadurch weniger stabil.

Die Autoren sprechen sich für den Einsatz von Ringerlösung als "dominante Strategie" aus. Das Kristalloid sei nicht nur effektiver, sondern spare auch Kosten. In ihrer Studie beliefen sich die Kosten für die HES-Gruppe pro Patient auf 157 Dollar gegenüber 83 Dollar in der Gruppe mit Ringerlaktat.

In Deutschland wird man beim Plasmaersatz künftig auf einen aktualisierten Expertenkonsensus zurückgreifen können: Die S3-Leitlinie "Intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen" ist in Vorbereitung; die Publikation soll noch in der ersten Hälfte dieses Jahres erfolgen. (EO)

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