Erhöhte Gefahr

Protonenpumpenhemmer gehen vielen an die Nieren

Patienten, die Protonenpumpenhemmer einnehmen, sind besonders gefährdet für eine chronische Nierenerkrankung, belegen zwei Studien. Das Risiko steigt offenbar mit der Dosis.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Protonenpumpenhemmer werden bei Magenproblemen eingenommen.

Protonenpumpenhemmer werden bei Magenproblemen eingenommen.

© Klaus Rose

BALTIMORE. Protonenpumpenhemmer (PPI) gehören zu den am meisten verordneten Medikamenten bei Magenproblemen. Mögliche unerwünschte Effekte einer Langzeittherapie stehen daher öfter mal im Zentrum epidemiologischer Untersuchungen.

Diese legen den Verdacht nahe, dass eine Dauertherapie mit PPI das Risiko für einen Magnesiummangel, eine Clostridien-Infektion sowie osteoporotische Frakturen erhöht. US-Epidemiologen um Benjamin Lazarus von der Universität in Baltimore konnten nun zeigen, dass bei einer langjährigen PPI-Anwendung auch vermehrt eine chronische Niereninsuffizienz beobachtet wird (JAMA Intern Med 2016, online 11. Januar).

Die Forscher kamen zu diesem Schluss, nachdem sie Angaben zu knapp 10.500 Teilnehmern der Studie "Atherosclerosis Risk in Communities" (ARIC) sowie Angaben von rund 248.000 Patienten des Geisinger-Health-Systems ausgewertet hatten.

Das Geisinger-System deckt einen Großteil der Gesundheitsversorgung im zentralen und nordöstlichen Teil des US-Staats Pennsylvania ab.

Die Forscher um Lazarus hatten nur solche Teilnehmer und Patienten berücksichtigt, die zu Beginn eine normale glomeruläre Filtrationsrate aufgewiesen hatten (mehr als 60 ml/min).

In ARIC lag das Durchschnittsalter bei 63 Jahren. Die Teilnehmer wurden in den Jahren 1996 bis 1999 in die Studie aufgenommen und bis 2011 regelmäßig untersucht. Im Schnitt lag die Nachbeobachtungsdauer bei 14 Jahren.

Chronische Nierenerkrankung bei 12 Prozent

Zu Beginn erfassten die Studienärzte sämtliche verwendete Medikamente der Teilnehmer, indem sie alle ihre Packungen und Fläschchen genau inspizierten. Weniger als 5 Prozent hatten einen PPI verwendet, der Anteil stieg bis auf mehr als 25 Prozent im Jahr 2011.

Von den 322 Patienten, die bereits zu Beginn der Studie PPI verwendet hatten, entwickelte im Laufe der Zeit etwa jeder sechste eine chronische Nierenerkrankung (Filtrationsrate unter 60 ml/min). Der Anteil war damit um 45 Prozent höher als bei Teilnehmern ohne PPI zum Studienbeginn.

Wurden diverse Begleiterkrankungen und demografische Faktoren berücksichtigt, ließ sich sogar eine 50 Prozent höhere Rate für die Erkrankung bei den Teilnehmern mit PPI zum Studienbeginn feststellen.

Die Erkrankungsrate bezogen auf zehn Jahre lag bei den Patienten mit PPI bei 11,8 Prozent, ohne bei 8,5 Prozent - ein absoluter Unterschied von 3,3 Prozentpunkten.

Verzerrungen nicht auszuschließen

Die Zahlen beruhen letztlich aber nur auf 56 chronischen Nierenerkrankungen bei den Teilnehmern mit anfänglicher PPI-Anwendung. Obwohl die Unterschiede statistisch signifikant waren und eine Vielzahl von Begleitfaktoren berücksichtigt wurden, lassen sich Verzerrungen bei einer so geringen Anzahl kaum ausschließen - zumal etwa ein Viertel aller Teilnehmer im Laufe der Studie zu PPI griff.

Etwas glaubwürdiger wirken daher die Daten der Geisinger-Kohorte. Dort wurden die Teilnehmer im Schnitt zwar nur 6,2 Jahre nachbeobachtet, allerdings konnten in dieser Zeit bei rund 2000 Patienten mit PPI neu aufgetretene chronische Nierenerkrankungen registriert werden.

Zu Beginn der Datenerhebung hatten bereits knapp 17.000 Personen PPI verwendet. Bei ihnen ließ sich nach der Berücksichtigung von Begleitfaktoren noch eine um 17 Prozent erhöhte Rate für eine chronische Nierenerkrankung feststellen.

Wurde die Rate mit Patienten verglichen, die über den gesamten Beobachtungszeitraum keine PPI benötigt hatten, dann war sie mit rund 22 Prozent zwar etwas höher, aber noch weit von der 50 Prozent-Erhöhung in ARIC entfernt.

Klarer Dosiseffekt

In der Geisinger-Kohorte fiel ein deutlicher Dosiseffekt auf. So konnten die Forscher um Lazarus bei zwei Tabletten pro Tag eine um 46 Prozent erhöhte Rate für eine chronische Nierenerkrankung feststellen, bei nur einer Pille am Tag war die Rate lediglich um 15 Prozent erhöht.

Auffallend in beiden Analysen war zudem eine erhöhte Rate für akute Nierenschäden - plus 64 Prozent in ARIC und plus 31 Prozent in der Geisinger-Kohorte.

Auch hier zeigten Patienten mit zwei Pillen am Tag signifikant häufiger Schäden als solche mit einer. Die Raten waren jeweils um 62 Prozent und 28 Prozent erhöht.

Schließlich schauten die Epidemiologen, ob Patienten mit H2-Antagonisten ebenfalls gehäuft Probleme mit den Nieren bekamen. Dies war jedoch nicht der Fall, was dafür spricht, dass tatsächlich die Medikation und nicht die Grunderkrankung ursächlich für das erhöhte Risiko ist.

Sollten PPI tatsächlich die Gefahr von Nierenerkrankungen erhöhen, hätte dies erhebliche Konsequenzen. Die Forscher um Lazarus gehen davon aus, dass etwa 70 Prozent der PPI-Verordnungen nicht indiziert sind und jeder vierte Langzeitanwender die Therapie abbrechen könnte, ohne unter Magenproblemen zu leiden. Sie fordern daher, den übermäßigen Gebrauch von PPI einzuschränken.

Möglicherweise führen vermehrt auftretende akute Nierenschädigungen wie eine interstitielle Nephritis auf Dauer zu einer Niereninsuffizienz, auch eine gehäufte Hypomagnesiämie unter PPI könnte dazu beitragen, heißt es in einem Editorial zu der Publikation.

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