Fast Food

Chicken Nugget lässt Speiseröhre platzen

Um sich mit einer Hühnermahlzeit die Speiseröhre zu durchlöchern, ist es offenbar nicht nötig, einen Knochen zu verschlucken. Laut einem Fallbericht kann dafür bereits ein Chicken Nugget genügen.

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TORONTO. Chicken Nuggets erfreuen sich vor allem bei jüngeren Essern einiger Beliebtheit. Ein nicht unwesentlicher Bestandteil der panierten und frittierten Klumpen aus Hühnermasse ist Formfleisch: getumbeltes, also mechanisch gewalktes Fleisch.

Der Verbund der Fasern soll sich lockern und Eiweiß austreten; unterstützt wird das durch Salz und Enzyme wie Transglutaminase. Beigemischt werden Bindemittel, Trockenmilch, Essig und Cornflakesbrösel, um nur einige der Zutaten zu nennen.

Manchem mag dies mehr nach Labor als nach Küche klingen. Tatsächlich war Robert Baker, der die Nuggets vor über 50 Jahren erfunden hat, auch kein Koch, sondern Lebensmittelwissenschaftler.

Wie immer man die Rezeptur und das geschmackliche Resultat bewerten will, sollte das knochenfreie Klebefleisch der Nuggets den menschlichen Kau- und Schluckapparat jedenfalls vor keine allzu großen Probleme stellen.

Blass, kurzatmig und epigastrische Schmerzen

Ein 25-jähriger Kanadier musste diese Annahme am eigenen Leib widerlegt finden. Blass, kurzatmig und mit epigastrischen Schmerzen wurde der sonst gesunde junge Mann in der Notaufnahme des Toronto General Hospital vorstellig (Case Rep Emerg Med 2016, online 10. Januar).

Anamnestisch war zu erfahren, dass er etwa eine Stunde zuvor ein Chicken Nugget geschluckt hatte. Dabei habe er einen scharfen, kratzenden Schmerz empfunden. Erbrochen habe er nicht.

Das Abdomen war vor allem epigastrisch schmerzempfindlich und zeigte eine deutliche Abwehrspannung. Die Atemgeräusche waren regelrecht, die Laborwerte weitgehend unauffällig, von leichten Erhöhungen der Leukozyten, des Bilirubins und der Amylase abgesehen.

Aufschlussreicher war das Röntgenbild des Thorax. Es zeigte Luft im Mediastinum und einen linksseitigen Pleuraerguss. Anzeichen für Fremdkörper im Ösophagus oder freie Luft im Abdomen waren nicht festzustellen. Das CT ergab eine Ruptur des distalen Ösophagus mit Kontrastmittelaustritt, ein Pneumomediastinum und einen Plauraerguss links.

Nach der Verordnung von Nahrungskarenz, Flüssigkeit i.v. und Breitspektrumantibiotika verlegten die Notfallmediziner den Mann auf die Thoraxchirurgie. Ösophagoskopisch ließ sich die Diagnose einer nichtiatrogenen distalen Ösophagusruptur, eines Boerhaave-Syndroms mithin, bestätigen. Der Patient bekam einem Ösophagusstent, um die Perforation abzudecken. Der Pleuraraum wurde unter Videoassistenz thorakoskopisch drainiert.

CT zeigte Mediastinalabszess

Nach fünf Tagen trat Fieber mit Leukozytose und zunehmenden Brustschmerzen auf. Das CT zeigte diesmal einen Mediastinalabszess und einen rechtsseitigen Erguss.

Den Abszess drainierten die Thoraxchirurgen, zugleich dekortizierten sie den rechtsseitigen Pleuraraum. Drei Wochen später konnte der Stent entfernt werden, die Ruptur des Ösophagus war verheilt.

Für die Notfallmediziner um Jo Jo Leun, die über die Geschichte des Patienten berichtet haben, birgt der Fall zwei wesentliche Lehren. "Erstens: Nichtiatrogene, lebensbedrohliche Ösophagusrupturen können sich ereignen, ohne dass Erbrechen, Anfälle oder chronischer Husten in der Anamnese auftauchen", schreiben die kanadischen Ärzte.

Auch ohne einschlägige Anamnese könne sich ein Boerhaave-Syndrom entwickeln, dessen Letalität zwischen 20 und 75 Prozent liege. Der Verdacht müsse sich regen, wenn Patienten kurzatmig seien und über epigastrische Schmerzen klagten.

"Und zweitens", so die Ärzte, "kann offenbar auch knochen- und schalenfreie weiche Nahrung wie ein Chicken Nugget den intraösophagealen Druck dermaßen erhöhen, dass es für eine Ruptur ausreicht."

Vom Nugget-Erfinder Robert Baker übrigens wird kolportiert, er habe zunächst wenig darauf gegeben, ob Menschen seine Kreationen bekömmlich fanden. Nur wenn der Hund sie nicht fraß, sei er zur Überarbeitung nochmals zurück in sein Labor gegangen. (rb)

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