Klug entscheiden

Nur neun Empfehlungen bei der DGVS

Fünf Negativ-, aber nur vier Positivempfehlungen stellt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten für die Initiative "Klug entscheiden" vor.

Von Friederike Klein Veröffentlicht:

MANNHEIM. 34 Vorschläge hatten die Leitlinien-Koordinatoren der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) aus den eigenen Leitlinien extrahiert und eingereicht. Am Ende akzeptierte der DGVSVorstand aber nur neun Statements für die "Klug entscheiden"-Initiative, berichtete Professor Herbert Koop vom HELIOS Klinikum Berlin-Buch beim DGIM-Kongress in Mannheim bei einer Veranstaltung anlässlich des DGIM-Kongresses 2016 in Mannheim.

So ist kein Stuhltest nötig bei der Screeningkoloskopie gemäß Früherkennungsrichtlinie. "Aber nur bei höchster Endoskopie-Qualität", betonte Koop. Dann ist das Risiko eines kolorektalen Karzinoms (KRK) nach einer Koloskopie ohne Befund auch nach zehn Jahren noch sehr gering und falsch-positive Stuhltests würden nur zu unnötigen Untersuchungen führen.

 Eine breite Primärprävention des KRK mit ASS oder COX-2-Hemmern in der asymptomatischen Bevölkerung wird nicht empfohlen. Bei ASS sind es die Blutungsrisiken, die dagegen sprechen, bei COX-2-Hemmern das erhöhte kardiovaskuläre Risiko.

Früherkennung alle sechs Monate

Den Hochrisikogruppen für ein Leberkarzinom sollte eine Ultraschall-Früherkennungsuntersuchung angeboten werden, wenn die Patienten auch für eine entsprechende Therapie geeignet sind. Die Risikogruppen sind Patienten mit bestehender oder eradizierter Hepatitis-C-Infektion und Leberzirrhose, einer chronischen Hepatitis B und einer Fettleberhepatitis.

 Die Früherkennungsuntersuchung alle sechs Monate zusammen mit der Messung des alfa-Fetoproteins (AFP) kann das Überleben deutlich verlängern. Alleine sei die preiswertere AFP-Messung allerdings nicht sensitiv genug, erläuterte Koop.

Bei gutartigen Leberherden kann auf aufwändige Bildgebung verzichtet werden, wenn klinisch keine Veränderung vorliegt. Empfohlen wird stattdessen der transabdominale Ultraschall und in unklaren Fällen eine Kontrastmittelsonographie, die eine ähnlich gute Beurteilung erlaubt wie radiologische Verfahren.

Die Empfehlung gilt für Hämangiome, fokale, noduläre Hyperplasien oder Zysten, nicht aber für Adenome der Leber, betonte Koop.

Ob eine Endoskopie zur Früherkennung oder aus anderen Gründen, Patienten sollten bei Propofol-Sedierung obligat nicht nur mit Pulsoxymetrie, sondern auch mit Blutdruckmessung überwacht werden. Es muss bei etwa jedem 14. Patient mit einem Blutdruckabfall unter 50 mmHg gerechnet werden.

Die in Leitlinien empfohlene automatisierte Blutdruckmessung war zumindest 2011 nur bei 66 Prozent der endoskopierenden Kliniken und 53 Prozent der Praxen Standard (Z Gastroenterol 2013; 51: 1082). "Vielleicht ist das inzwischen besser, aber sicher nicht flächendeckend bei jeder Sedierung", meinte Koop.

Rauchstopp bei Morbus Crohn

Zwei Empfehlungen betrafen chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Patienten sollten nicht langfristig mit Kortikosteroiden als Rezidivprophylaxe behandelt werden. Mehrere Studien fanden keinen signifikanten Effekt auf das Rezidivrisiko, Nebenwirkungen und das Risiko einer Nebenniereninsuffizienz steigen aber deutlich.

Zudem sollten rauchende Morbus Crohn-Patienten zum Rauchstopp angehalten werden. Selbst bei intensiver Therapie kommt ein Rezidiv bei Rauchern schneller als bei Nichtrauchern (Am J Gastroenterol 2016; 111: 411). Wer mit dem Rauchen aufhört, senkt dagegen sein Schubrisiko auf das Niveau des Nichtrauchers. Nach aktuellen Daten erhalten aber nur 13 Prozent der rauchenden Patienten ein Entwöhnungsangebot. Koop empfahl als Hilfe die S3-Leitlinie zur Tabakentwöhnung bei COPD der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin.

Weitere Klug-entscheiden-Empfehlungen der DGVS sind der Verzicht auf eine Operation bei asymptomatischen Gallensteinen und die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie beim R0-resezierten Pankreaskarzinom im Stadium UICCI-III.

Dass die DGVS für "Klug entscheiden" nur neun statt zehn Empfehlungen vorstellen konnte, begründete Koop mit den vorab definierten Anforderungen: Für Positivempfehlungen waren Relevanz, Klarheit und Evidenz gefordert, für Negativempfehlungen ein fehlender evidenzbasierter Nutzen und ein Einsparpotenzial.

Eine Konsequenz aus den Erfahrungen mit den "Klug entscheiden"-Empfehlungen ist für ihn, zukünftig schon bei der Leitlinienerstellung auf potenzielle Empfehlungen zu achten. Ein Manko sind die häufig fehlenden Daten zur tatsächlichen Versorgungssituation. Klar ist für Koop: "Diese Empfehlungen sind erst der Anfang."

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