Ort der Entzündung im Darm bestimmt Behandlungskonzept

Krankheitsaktivität und Ausbreitung der Entzündung im Darm bestimmen das Behandlungskonzept von Patienten mit Colitis ulcerosa im akuten Schub. Bei diesen Patienten sollen vor allem eine anhaltende Remission erreicht und chirurgische Interventionen vermieden werden. In der remissionserhaltenden Therapie, die mindestens zwei Jahre dauert, sind Aminosalizylate (5-ASA) - oral oder rektal - die erste Wahl.

Veröffentlicht:

Jörg Albert und Wolfgang Fleig

In Deutschland leiden etwa zwei von 1000 Menschen an einer Colitis ulcerosa. Die meisten Patienten erkranken im Alter zwischen 20 und 35 Jahren, allerdings ist die Erstmanifestation auch bei älteren Menschen oder Kleinkindern möglich.

Patienten mit Colitis ulcerosa haben eine genetisch bedingte Dysfunktion des Immunsystems, wobei dann Triggerereignisse die Erkrankung auslösen können.

Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) vertritt in ihrer aktuellen Leitlinie eine evidenzbasierte Therapie bei Colitis ulcerosa, die im folgenden berücksichtigt wird (www.dgvs.de/leitlinien.htm).

Akuter Schub bei Colitis ulcerosa

Der akute Schub einer Colitis ulcerosa ist unter anderem durch blutige Diarrhöen und Tenesmen gekennzeichnet. Das klinische Bild und laborchemische Entzündungsmarker belegen die Aktivität der Erkrankung - die Ausdehnung wird endoskopisch und histologisch bestimmt.

Um infektiöse Ursachen abzugrenzen, müssen Stuhlkulturen auf pathogene Keime angelegt und eine Clostridium-difficile- und CMV-Infektion gezielt ausgeschlossen werden. Der fulminante Schub als extreme Ausprägung der akuten Colitis ist außerdem gekennzeichnet durch eine systemische Entzündung mit Tachykardie, Fieber, Gewichtsabnahme und einem schlechten Allgemeinzustand der Patienten.

Eine Perforation oder das toxische Megakolon sind bedrohliche Komplikationen, die durch das konventionelle Röntgenbild oder radiologische Schnittbildtechniken und durch den hochauflösenden Ultraschall erkannt werden.

Krankheitsaktivität und Ausbreitung der Entzündung im Darm bestimmen das Behandlungskonzept. Ziel ist die Besserung der akuten Symptomatik, also die Induktion einer Remission, sowie die günstige Beeinflussung des Langzeitverlaufes. Dabei werden eine anhaltende Remission, die Vermeidung chirurgischer Interventionen und die Prophylaxe von Komplikationen angestrebt.

Stufentherapie ermöglicht Remission bei akutem Schub einer Colitis ulcerosa
distale Colitis
Therapie
leichte bis mittelschwere Colitis
schwere Colitis
Stufe 1 Proktitis: Suppositorien: z.B. 2 x 1g 5-ASA/Tag
Proktosigmoiditis: Klysma/Schaum mit 5-ASA bis zur linken Flexur: + 5-ASA oral
oral verabreichte, systemisch wirksame Steroide + lokal angewendetes 5-ASA

Stufe 2

Stufe 1 + topische Steroide (Klysma/Schaum), z.B. Budesonid 2 mg/Tag über mind. 4 Wochen

Fulminanter Schub:

  • intravenös, systemische Steroide (Prednisolon: 1–1,5 mg/kg KG/Tag)
  • Operation?
  • Infusionstherapie?

Stufe 3

Stufe 1 + oral verabreichte, systemisch wirksame Steroide

  • Ciclosporin (2 mg/kg KG/Tag)
  • alternativ: Tacrolimus
  • alternativ: Infliximab (?)
  • Operation
ausgedehnte Colitis
Therapie
leichte bis mittelschwere Colitis
schwere Colitis

Stufe 1

oral verabreichtes 5-ASA, 3–4,8 g/Tag

systemisch wirksame Steroide, oral oder parenteral verabreicht (+ 5-ASA oral)

Stufe 2 oral verabreichte, systemisch wirksame Steroide Steroide parenteral
Quelle: Albert, Fleig (nach Leitlinie DGVS 2004), Tabelle: Forschung und Praxis / Ärzte Zeitung
Die Therapie bei einem akuten Colitis-Schub orientiert sich primär an der Ausbreitung der Entzündung im Darm.

Bei weniger schwer ausgeprägter Colitis wird ausschließlich lokal behandelt: Je nach Lokalisation werden 5-ASA-Präparate (5-Aminosalizylate) oral oder rektal verabreicht. Bei der Proktitis sind Zäpfchen mit 5-ASA wirksam, bei Proktosigmoiditis Klysmen oder Schäume.

Bei entzündlichen Veränderungen bis zur linken Kolonflexur scheint die Kombination mit einem oralen Aminosalizylat sinnvoll. Die orale Therapie wird dabei von der Nahrungsaufnahme unabhängiger, wenn sogenannte Pellet-Präparate verwandt werden; auch scheint die Wirkung dieser Mittel im distalen Darm im Vergleich zu Tabletten verbessert.

Sprechen die Patienten nicht ausreichend auf die 5-ASA-Therapie an, sollte zusätzlich mit Steroiden als Klysma oder Schaum behandelt werden. Insgesamt sind Schaum-Zubereitungen einfach zu handhaben und weniger belastend, da weniger voluminös als etablierte Klysmen-Präparate. Die Therapie sollte mindestens vier Wochen dauern.

Wann ist bei Colitis ulcerosa eine Operation notwendig?
Notfalloperation
Dringliche Operation
Elektive Operation
  • Perforation
  • Vital bedrohliche Blutung
  • Therapierefraktärer, fulminanter Schub
  • Therapierefraktäres Megakolon

Absolute Indikation

  • Kolorektales Karzinom
  • Intraepitheliale Neoplasie
  • DALM (Dysplasia associated lesion or mass)
  • Therapierefraktärer Verlauf
  • Wachstumsstörungen bei Kindern trotz adäquater Therapie

Relative Indikationn

  • Niedriggradige intraepitheliale Neoplasie
  • Lebensqualität / Patientenwunsch
Quelle: Albert, Fleig (nach Leitlinie DGVS 2004), Tabelle: Forschung und Praxis / Ärzte Zeitung
Kommt es zu lebensbedrohlichen Komplikationen oder ist die konservative Therapie erschöpft, ist eine Op nötig.

Versagt die Primärtherapie oder kommt es zu einem schweren Krankheitsschub, sind systemisch wirksame Steroide indiziert. Diese werden oral verabreicht, im fulminanten Schub auch parenteral (1 - 1,5 mg / kg KG Prednisolon-Äquivalent pro Tag).

Die Patienten sollten innerhalb weniger Tage auf diese Therapie klinisch ansprechen. Dann wird die Dosis reduziert. Zu beachten ist, daß die Knochendichte der Patienten bereits nach einigen Wochen Steroidtherapie signifikant abnimmt. Daher ist bei absehbar längerfristiger Steroidgabe von Beginn an eine Substitution mit Kalzium (2 - 3 x 0,5 g / Tag) und Vitamin D (800 IE pro Tag) indiziert.

Bei harten Kontraindikationen gegen Steroide oder im therapierefraktären Schub kann Ciclosporin gegeben werden. Durch die niedrige Dosierung von 2 mg / kg KG sind weniger Nebenwirkungen bei gleicher Wirksamkeit zu erwarten im Vergleich mit der bisher gebräuchlichen höheren Dosierung von 4 mg / kg KG - der Langzeiterfolg dieser Therapie konnte bisher allerdings nicht belegt werden.

Aminosalizylate sorgen für den Remissionserhalt bei Colitis ulcerosa
Proktitis
distale Colitis
ausgedehnte Colitis
5-ASA-Suppositorium (500 mg / Tag oder 1 g / Tag dreimal pro Woche) 5-ASA-Klysma (1 g / Tag oder 4 g jeden 3. Tag)
5-ASA oral (1,5 g / Tag) oder Sulfasalazin (2 g / Tag) oder Olsalazin (1 g / Tag)
(Angaben sind die minimalen Dosierungen, für die die Wirksamkeit belegt ist.)
Quelle: Albert, Fleig (nach Leitlinie DGVS 2004), Tabelle: Forschung und Praxis / Ärzte Zeitung
Eine remissionserhaltende Therapie sollte mindestens zwei Jahre dauern.

Die Patienten können sich meist oral ernähren, eine parenterale Ernährung bringt selten Vorteile. Bei Mangelzuständen und schwerer Anämie muß allerdings rechtzeitig therapeutisch eingeschritten werden.

Ziel einer chirurgischen Therapie ist die Beherrschung lebensbedrohlicher Komplikationen oder die Behandlung bei erschöpfter konservativer Therapie; in einigen Fällen kann die Lebensqualität verbessert werden (Tab., siehe S. 9). Das chirurgische Standardverfahren ist die restaurative Prokto-Kolektomie mit ileo-pouch-analer Anastomose.

Remissionserhaltung und chronisch aktiver Verlauf

Ist eine Colitis ulcerosa nachgewiesen, ist stets eine remissionserhaltende Therapie indiziert. Diese dauert mindestens zwei Jahre. Zum einen wird so eine Remissionserhaltung erreicht, zum anderen treten seltener kolorektale Karzinome auf. Erste Wahl sind Aminosalizylate (5-ASA), wobei die verfügbaren Präparate weitgehend gleichwertig sind. Der Applikationsweg - oral oder rektal - hängt vom Befallsmuster der Erkrankung ab (Tab., siehe oben).

Systemisch wirksame Kortikosteroide sind aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils nicht für eine Dauertherapie im Sinne einer Remissionserhaltung geeignet. Falls die primäre 5-ASA-Therapie nicht ausreicht, ist eine Kombinationstherapie von Aminosalizylaten (oral plus rektal) oder eine Erhöhung der oralen Dosis möglich, darüber hinaus sollte eine Therapie mit Azathioprin (2 bis 2,5 mg / kg KG /Tag) oder 6-Mercaptopurin (1,5 mg /kg KG / Tag) erwogen werden. Ein Probiotikum (E. coli Nissle) konnte ebenfalls den Nachweis erbringen, remissionserhaltend wirksam zu sein.

Ein chronisch aktiver Verlauf liegt vor, wenn es zu mindestens zwei Rezidiven der Colitis pro Jahr kommt. Betroffen hiervon sind etwa zehn bis 15 Prozent der Patienten. Die klinische Symptomatik ist wesentliches Kriterium für diese Diagnose. Eine entsprechende Differentialdiagnostik ist daher eventuell erneut nötig, besonders wenn eine immunsuppressive Therapie Infektionen begünstigt. Die Indikation zur Kolektomie ist zu prüfen, konservative Optionen sind vor allem Azathioprin / 6-Mercaptopurin.

Die Wirkung von Azathioprin / 6-Mercaptopurin tritt allerdings frühestens nach sechs bis zwölf Wochen ein und kann erst nach sechs Monaten sicher beurteilt werden. Wegen myelo- und hepatotoxischer Nebenwirkungen sind in regelmäßigen Abständen Laborkontrollen indiziert (Blutbild und ALAT (Alaninaminotransferase) nach 1, 2, 4, 8, 12 Wochen, im weiteren Verlauf alle zwölf Wochen). Außerdem muß auf die Entwicklung einer Pankreatitis geachtet werden. Die Therapiedauer beträgt drei bis fünf Jahre.

Ausblick

Seit die zellulären und molekularen Mechanismen der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen immer besser verstanden werden, bieten sich therapeutische Ansatzpunkte, um in die Entzündungskaskade direkt einzugreifen. Damit ist die definitive immunmodulatorische Therapie ein simples "in Schach halten" der Entzündung.

Nachdem mit dem Anti-TNF-a-Antikörper Infliximab durchgreifende Erfolge in der Therapie bei Morbus Crohn erzielt werden konnten, gibt es neue Daten, die auf eine ähnliche Wirksamkeit bei Patienten mit refraktärer Colitis ulcerosa hinweisen. Einige weitere Therapeutika sind wirksam: Lokal appliziertes EGF (epidermal growth factor) und mehrere Antikörper zeigen erste positive Studienresultate (etwa Anti-CD3-, Anti-IL6-Antikörper).

Dr. Jörg Albert, Prof. Wolfgang E. Fleig, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät und Klinikum der Medizinischen Fakultät, Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Ernst-Grube-Str. 40, 06097 Halle (Saale), Tel.: 0345 / 557-2661; Fax: -2253; E-Mail: innere.I@medizin.uni-halle.de

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