Jugendliche mit CED

"Transition ist ein großes Problem"

Um Kinder und Jugendliche mit einer CED optimal begleiten zu können, sind bessere Versorgungsstrukturen notwendig. Darauf weist Professor Britta Siegmund aus Berlin im Vorfeld des DGIM-Kongresses im Interview hin.

Von Roland Fath Veröffentlicht:

Professor Britta Siegmund

Aktuelle Position: Direktorin der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie, Rheumatologie, Infektiologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin

Werdegang: Medizinstudium und Promotion an der LMU München, Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunktbezeichnung Gastroenterologie

Mitgliedschaft: u. a. Vorstandsmitglied des Kompetenznetzes CED e. V.

Ärzte Zeitung: An einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung erkranken die meisten Patienten zwischen dem 15. und 30. bis 40. Lebensjahr. Wie hoch ist denn der Anteil der ganz jungen Patienten?

Professor Britta Siegmund: Im Kindes- und Jugendlichenalter erkranken nur wenige Patienten, aber für die ist es besonders entscheidend, dass die Erkrankung frühzeitig diagnostiziert wird. Denn die Entzündung sollte möglichst bald kontrolliert werden.

Etwa die Hälfte der jugendlichen Patienten erkrankt an Morbus Crohn, die andere an einer Colitis ulcerosa, die ja primär nur den Dickdarm betrifft.

Diese Patienten können bei schweren Verläufen auch operiert werden, wenn die Erkrankung medikamentös nicht kontrolliert werden kann. Beim Morbus Crohn, der jeden Darmabschnitt betreffen kann, gibt es diese Option nur bedingt.

Ist denn die Versorgungssituation jugendlicher CED-Patienten besonders schlecht? Und wie ist der Übergang von jungen Patienten, die vom Kinderarzt betreut werden, in die Erwachsenenmedizin?

Siegmund: Das ist ein großes Problem. Denn es gibt nur wenige Pädiater, die Kinder und Jugendliche mit CED behandeln, und für diese ist es dann auch nicht so leicht, einen Erwachsenen-Gastroenterologen zu finden, der die CED als Schwerpunkt anbietet.

Außerdem: Die Betreuung eines jungen CED-Patienten und die Anbindung an die Praxis erfordern initial sehr viel Zeit.

Es sind deshalb bessere Versorgungsstrukturen notwendig, um Kinder und Jugendliche mit CED optimal begleiten zu können. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) hat zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) bereits eine Arbeitsgruppe zur Transitionsmedizin gebildet, an der ich beteiligt bin, um solche Strukturen zu entwickeln.

DGIM-Symposium

26. bis 29. April in Wiesbaden

Symposium "Transitionsmedizin"; 26.04.; ab 14:30 Uhr

Tutorium "Anti-TNF-Therapien"; 28.04.; ab 18:30 Uhr

Infos im Web: www.dgim2014.de

In Berlin-Brandenburg ist dies bereits Realität. Hier werden Kinder mit CED über ein Jahr in einem strukturellen Programm begleitet, das in den Westendkliniken in Berlin entwickelt worden ist.

Die Erwachsenenmediziner werden dabei genau mit den Informationen versorgt, die sie brauchen. Das Programm soll jetzt zunächst auf Norddeutschland und dann bundesweit ausgeweitet werden.

In diesem Jahr kommen zwei neue Biologika zur CEDTherapie auf den Markt. Wo werden diese Medikamente im Therapiealgorithmus stehen?

Siegmund: Bei CED-Patienten mit sehr hoch entzündlichen Verläufen steigen wir frühzeitig mit einem TNF-Blocker ein; sprechen die Patienten darauf nicht an, sind es Kandidaten für die neuen Substanzen: also Vedolizumab* bei Colitis ulcerosa und Ustekinumab bei Morbus Crohn. Die neuen Medikamente sind für diese Subgruppen hoch relevant.

Auf Ustekinumab sprechen etwa 40 Prozent der TNF-Versager mit Colitis ulcerosa an; nach einem Jahr ist bei rund 40 Prozent von diesen die Erkrankung immer noch gut kontrolliert.

In dieser Größenordnung liegen auch die Ansprechraten bei Vedolizumab. Allerdings können wir auch mit den neuen Substanzen nicht die Ursache von CED verhindern. Und es sollte bei Colitis ulcerosa-Patienten immer auch überlegt werden, wie viele Medikamente probiert werden, bevor ich operiere.

Was sind denn ihre größten Wünsche bezüglich der Versorgung von CED-Patienten?

Siegmund: Zum einen wünsche ich mir ein besseres Versorgungsnetzwerk. Patienten sollten schneller den richtigen Arzt finden können, der dann auch bereit ist, eine sprechende Medizin zu machen.

Die CED ist in der Betreuung zeitaufwändiger als viele andere Erkrankungen. Ich rate den Patienten, bei der Deutschen Morbus Crohn /Colitis ulcerosa-Vereinigung (DCCV) anzurufen, um sich einen möglichst Wohnort-nahen Arzt empfehlen zu lassen.

Zum anderen sollten endlich einmal die nach wie vor bestehenden Tabus im Umgang mit der CED fallen. Viele Menschen reagieren schockiert, wenn sie von der Erkrankung hören. Bei der Aufklärungsarbeit gibt es hier noch Nachholbedarf.

*Vedolizumab hat kürzlich eine Zulassungsempfehlung der europäischen Zulassungsbehörde EMA bei moderater oder schwerer CED erhalten.

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