Schulfreunde bringen Kortisol ins Lot

Außenseiter in der Schule haben oft erhöhte Kortisolspiegel - ein Zeichen für chronischen Stress. Für solche Schüler ist schon eine einzige gute Freundschaft wichtig: Sie kann die Kortisolwerte fast wieder normalisieren und schädlichen Stress abbauen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Wer in der Schule gute Freunde hat, normalisiert dadurch seine Kortisolwerte.

Wer in der Schule gute Freunde hat, normalisiert dadurch seine Kortisolwerte.

© Tatyana Gladskih / Fotolia.com

NIJMEGEN. Für Schulkinder hat ihre Stellung unter den Klassenkameraden eine hohe Bedeutung. Werden sie von den Aktivitäten ihrer Mitschüler ausgeschlossen oder gehänselt, so ist das besonders schmerzhaft und erzeugt dauerhaften Stress.

Langfristig können daraus psychische Probleme oder Entwicklungsstörungen resultieren. Auf der anderen Seite sind Freundschaften für das Wohlbefinden im Schulalter besonders wichtig und können unliebsame Erfahrungen mit den Klassenkameraden puffern.

Kortisolspiegel als Marker für chronischen Stress

Daran erinnern Verhaltensforscher um Dr. Ellen Peters aus Nijmegen in den Niederlanden. Als Marker für chronischen Stress kann der Kortisolspiegel herangezogen werden. Er steigt normalerweise in Stresssituationen - dadurch werden Energie und Reserven mobilisiert, um Gefahren besser abzuwehren.

Chronisch hohe Kortisolspiegel sind jedoch ungünstig und liegen oft bei psychischen Störungen vor. Typisch für Dauerstress ist aber nicht nur ein erhöhter Kortisolspiegel, vielmehr ändert sich auch der zirkadiane Verlauf: Normalerweise sind die Werte morgens am höchsten und fallen dann zum Abend hin ab. Bei chronischem Stress verläuft diese Kurve in der Regel deutlich flacher.

Das Team um Peters hat nun bei 97 Viertklässlern untersucht, ob die Höhe und der zirkadiane Verlauf der Kortisolspiegel bei Schülern verändert sind, die gehänselt oder ausgeschlossen werden (Child Development 2011; online 26. Oktober).

"Teilt ihr Geheimnisse untereinander?".

Dazu bestimmten sie die Werte in Speichelproben an zwei Tagen zu fünf unterschiedlichen Zeitpunkten. Gleichzeitig wurden die Schüler intensiv nach ihrem Sozialverhalten befragt.

So sollte jeder namentlich seine Freunde nennen und auch die Qualität der Freundschaft beurteilen, etwa anhand von Fragen wie "Teilt ihr Geheimnisse untereinander?".

Die Befragten sollten auch diejenigen Schüler benennen, die oft gehänselt wurden, und diejenigen, mit denen niemand etwas zu tun haben wollte. Daraus schlossen die Forscher, wer besonders unter seinen Mitschülern zu leiden hatte. Anschließend verglichen sie die Werte mit den Kortisolspiegeln.

Kortisolspiegel war bei Außenseitern am höchsten

Das Ergebnis: Von den Klassenkameraden ausgeschlossen zu werden erzeugt offenbar den größten Stress, mehr noch, als nur gehänselt zu werden.

Die Kortisolspiegel waren bei den Außenseitern insgesamt am höchsten, und zugleich war die Tageskurve deutlich abgeflacht, so wie es bei chronischem Stress zu erwarten ist.

Hatten die Außenseiter aber noch ein paar gute Freunde, dann wurde der negative Effekt fast aufgehoben, die Kortisolspiegel waren insgesamt zwar noch etwas erhöht, der zirkadiane Verlauf aber normal.

Eine einzige gute Freundschaft genügte

Entscheidend dafür war jedoch nicht die Zahl der Freunde, sondern einzig die Qualität der Freundschaft. Eine einzige gute Freundschaft genügte. Bei Kindern, die zwar gelegentlich von Mitschülern gemobbt wurden, die aber noch Teil einer Gruppe waren, gab es dagegen kaum Abweichungen bei der Höhe und beim Verlauf der Kortisolspiegel.

Die Autoren der niederländischen Studie vermuten, dass chronisch erhöhte Kortisolspiegel bei Außenseitern auch dazu führen, dass ihre Leistungen schwächer sind als die der Mitschüler. Schließlich ist bekannt, dass erhöhte Kortisolspiegel Gedächtnis und Lernfähigkeit beeinträchtigen.

Dies wäre auch eine Erklärung dafür, weshalb Außenseiter später oft ein geringeres Bildungsniveau erreichen und schlechtere berufliche Perspektiven haben.

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