Welthundetag

Angst vor Hunden ernst nehmen

Fürchten sich Kinder vor Hunden, sollten Eltern sich dem annehmen. Andernfalls kann sich die Angst auf andere Lebensbereiche ausdehnen.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Spiel oder Ernst? Das Verhalten von Hunden können gerade Kinder nicht richtig einschätzen. Schwarze Hunde, wie dieser Labrador, lösen öfter Ängste aus als Tiere mit hellem Fell.

Spiel oder Ernst? Das Verhalten von Hunden können gerade Kinder nicht richtig einschätzen. Schwarze Hunde, wie dieser Labrador, lösen öfter Ängste aus als Tiere mit hellem Fell.

© imagebroker / imago

NEU-ISENBURG. Ein Hund rennt auf dem Bürgersteig - das Kopfkino startet ohne Vorwarnung: "Er wird mich angreifen, sich bellend auf mich stürzen, ich falle hin, das tut weh, er ist über mir, sabbert. Wie eine erlegte Beute wird er mich beißen, zerfleischen, erst die Jacke und die Hose, später wird mein Blut aus seinem Mund tropfen. Niemand hilft."

Das Kopfkino bei einer Panikattacke ist nicht rational. Denn objektiv betrachtet, wird nichts passieren, wenn der Hund die Straße entlangläuft und einem Menschen begegnet.

Doch solch ein Film im Kopf läuft immer wieder bei Menschen ab, die an einer für Tierfreunde oft unverständlichen Angst leiden: Hundephobie.

Nicht immer liegt der Phobie ein Trauma zugrunde

Ein schwanzwedelnder Hund, der freudig sein Herrchen begrüßt, dabei hochspringt und aufgeregt um Menschen kreist, das ist für Ängstliche ein wahrer Graus. "Der will doch nur spielen!" ruft der begeisterte Besitzer in dieser Situation - doch das Spiel ist einseitig, denn der Ängstliche will es nicht.

"Der Satz ‚Der will doch nur spielen‘ ist der schlechteste Rat, dem man einem Menschen mit Hundephobie geben kann", erklärt Frank Zimmermann, leitender Psychologe der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters in Aschaffenburg.

Gemeinsam mit Dr. Viktor Kacic, Chefarzt der Klinik, behandelt er Kinder, die an Hundephobie leiden. "Man muss besonders Kinder mit ihrer Phobie ernst nehmen, ihre Angst nicht abqualifizieren", mahnt Kacic.

"Sonst kann es passieren, dass Kinder sich zurückziehen und sich ihre Angst auf andere Lebensbereiche ausbreitet."

Für viele Eltern ist eine plötzliche Hundeangst ihrer Kinder unerklärlich. Laut Zimmermann und Kacic müssen einer Phobie nicht immer traumatische Ereignisse wie ein Hundebiss zu Grunde liegen.

Erst Kurzzeittherapie von acht bis zwölf Wochen

Zimmermann hat in der psychiatrischen Kinderambulanz im hessischen Heppenheim 1999 ein Therapieansatz zur schnellen Hilfe bei Hundephobie im Rahmen einer Kurzzeittherapie erarbeitet.

Am Klinikum Aschaffenburg entwickelten Zimmermann und Kacic den Ansatz weiter, sie halten Vorträge auf Kongressen und versuchen auch im ärztlichen und wissenschaftlichen Umfeld für das Thema zu werben.

Nach eigener Aussage haben sie rund 100 Kinder betreut, Anfragen erreichen sie bundesweit. "Rund zehn Prozent der Kinder in Deutschland haben Ängste, die therapiebedürftig sind", erklärt Kacic. Er schätzt, dass zwei Prozent der Kinder Ängste haben, die auf einer Tierphobie beruhen.

Zimmermann und Kacic legen Wert darauf, dass vor der Therapie der Hundephobie eine ausführliche kinderpsychiatrische Diagnostik durchgeführt wird, damit andere kinderpsychiatrische Störungsbilder ausgeschlossen werden können.

Ist die Hundephobie isoliert, beginnt die Kurzzeittherapie von acht bis zwölf Wochen: In den ersten Sitzungen sprechen sie mit den Kindern über den Hund, schauen sich übliche Bewegungen und Reaktionen der Tiere an. "Damit machen wir den Kindern bewusst, dass es nur bestimmte Merkmale des Hundes sind, die eine phobische Reaktion auslösen", erklärt Zimmermann.

Dazu gehört zum Beispiel wildes Schwanzwedeln oder lautes Bellen.In weiteren Sitzungen wird geübt, wie das Kind mit Stress und Angstzuständen umgeht und wie es sie reduzieren kann. Mit ihren Patienten studieren Zimmermann und Kacic angstreduzierende Bewältigungsstrategien, wie etwa einen Mut-Spruch oder sie bekommen eine Mut-Murmel in die Hand.

Therapiehund Moony

Therapiehund Moony mit seinem Besitzer Dr. Martin Gabriel, Leitender Oberarzt am Klinikum Aschaffenburg.

Therapiehund Moony mit seinem Besitzer Dr. Martin Gabriel, Leitender Oberarzt am Klinikum Aschaffenburg.

© Dorothea Lutz-Hilgarth

Erst nach mehreren Sitzungen kommt dann der Therapiehund dazu: Moony - sein voller Name ist "Moonraker" in Anlehnung an den James Bond Film aus dem Jahr 1979 - ist ein englischer Setter und neun Monate alt.

Er hat ein weißes Fell mit orangefarbigen Punkten. "Da er so untypisch aussieht, ist das für die Kinder ein unerwarteter Moment und sie gehen oft entspannter auf das Tier zu", erklärt Zimmermann.

Mit Moony sollen die Kinder einen unbefangenen Umgang mit einem Hund erleben: an ihm vorbeilaufen, streicheln, Leckerli geben, ihn an der Leine führen - und die Angst dabei unter Kontrolle halten. Sind die Kinder damit erfolgreich, üben sie auch mit anderen Hunden.

Doch muss eine Hundephobie therapiert werden? Ja, sagt Kacic. Zwar gibt es auch gefährliche Hunde, die wenig erzogen sind, "daher müssen Kinder Angst haben dürfen."

Aber: "Wir wollen Kindern nicht den Respekt vor den Tieren abtrainieren, sondern ihnen eine Möglichkeit geben, wie sie mit ihrer Angst umgehen können." Die Lebensqualität soll wieder hergestellt werden: Keine Umwege auf dem Schulweg, Freunde mit Hunden als Haustier sollen wieder besucht werden können.

Szenen werden weniger drastisch

Das Kopfkino kann nicht endgültig abgeschaltet werden. Doch die Szenen werden mit der Zeit weniger drastisch: Der Hund rennt, der ängstliche Mensch schaut weg, hört die Hundepfoten auf dem Asphalt, die Metallringe am Halsband klappern.

Die sonst so bedrohlichen Töne lösen kaum Panik aus, sie werden nach Sekunden leiser. Ein Blick über die Schulter: Hund weg, Gefahr vorbei.

Der Vorsatz fürs nächste Mal: Kein Schweiß und kein Herzrasen mehr!

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