Beim Träumen lernen - Forschung bringt etwas Licht ins Dunkel

HAMBURG (dpa). Träume sind seit jeher ein Inbegriff von Rätselhaftigkeit. Neue Forschungen haben manches Licht in das gebracht, was sich jede Nacht in den Köpfen schlafender Menschen abspielt, auch wenn endgültige Erklärungen noch ausstehen.

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Der REM-Schlaf scheint für das Gedächtnis nützlich zu sein, wie Forscher im Magazin "Gehirn & Geist" (2, 2004) in der Titelgeschichte "Expeditionen ins Land der Träume", aufzeigen. REM steht für "rapid eye movements" (schnelle Augenbewegungen), welche die traumreiche REM-Phasen begleiten.

Diese Träume unterscheiden sich in Inhalt und Form von den Non-REM-Träumen. Durch Positronen-Emissions-Tomographien (PET) vom Gehirn weiß man, daß der Hippocampus, der für die Speicherung von Gedächtnisinhalten wichtig ist, in Phasen des REM-Schlafs überaus aktiv ist.

Manches deutet darauf hin, daß REM-Schlaf besonders wichtig ist für das Erlernen von visuellen und motorischen Fähigkeiten, etwa Tennis. Studiert zum Beispiel jemand einen neuen Bewegungsablauf ein, etwa den Aufschlag, nimmt der REM-Anteil seines Schlafs in der darauf folgenden Nacht deutlich zu. Weckt man ihn in diesen Phasen immer wieder auf, wird das Abspeichern verhindert, und zwar sehr viel nachhaltiger als beim gezielten Stören des Non-REM-Schlafs.

Nachts knüpft das Gehirn neue neuronale Verbindungen

Der Neurologe Dr. Pierre Maquet von der Universität Lüttich in Belgien hat mittels PET-Bildern entdeckt, daß das Gehirn nachts neue Verbindungen zwischen Nervenzellen knüpft - besonders in den Regionen, die schon am Tage während des Lernens aktiv sind.

Dieser auf der Produktion von Eiweißmolekülen basierende Umbauprozeß festigt einen neuen Gedächtnisinhalt dauerhaft. Maquet stellte auch fest, daß in den Traumphasen jene Hirnareale in der PET am stärksten aufleuchteten, die seine Probanden schon tagsüber zum Erlernen verschiedener Testaufgaben aktiviert hatten.

Es gibt allerdings auch Argumente gegen eine wichtige Rolle der REM-Phasen. So ist die Merkfähigkeit von Menschen, die jahrelang den REM-Schlaf unterdrückende Medikamente einnehmen, nicht beeinträchtigt. Das gilt auch für Patienten, die wegen Hirnschäden keine REM-Phasen haben.

Schon in den achtziger Jahren befanden Dr. Francis Crick vom Salk Institute in San Diego und Dr. Graeme Mitchinson von der britischen Universität Cambridge sogar: "Wir träumen, um zu vergessen". Nach ihrer Theorie nutzt das Gehirn den Schlaf auch, um sinnlose, überflüssige und störende Erinnerungen oder Assoziationen aufzurufen, zu prüfen und dann aus dem Großhirn zu löschen. Nach Crick wären Träume somit aktives Verlernen, um ein Überlaufen des neuronalen Netzes zu verhindern. Das würde auch erklären, warum wir uns an die nächtlichen Bilder so schlecht erinnern.

Nutzt das Gehirn Träume zur Verarbeitung von Erlebnissen?

Zu ganz anderen Ergebnissen kam dagegen der Neuropsychologe und Psychoanalytiker Dr. Mark Solms von der Universität London. Demnach könne das Gehirn den Traum als Möglichkeit zur Nachverarbeitung und Bewältigung von Erlebnissen nutzen. Solms schloß aus Feststellungen bei Patienten mit Hirnschäden, daß ein Hauptursprung der Träume im Stirnhirn liegt. Dieses ist im Wachzustand wichtig für Gedächtnis, Gefühle und Motivation. Bei den Patienten war der von primitiveren Regionen im Hirnstamm generierte und gesteuerte REM-Schlaf gestört, aber sie träumten normal.

Solms räumt ein, daß die neuen psychoanalytischen Forschungen kein Beweis für die Richtigkeit der These Sigmund Freuds vom Träumen als symbolische Erfüllung von Wünschen und Bedürfnissen seien. Doch paßten die neuen Befunde in seine Libido-Theorie, sagte er vor vier Jahren im Gespräch mit der Zeitschrift "Psychologie heute" (3, 2000, 30).

Nach ihr müssen Menschen lernen, in ihrer Umwelt Objekte ausfindig zu machen, die ihre Triebe befriedigen können. Und die von ihm als Ursprungbereich der Träume ausgemachte Region im Stirnhirn gelte eben auch als Such-, Erwartungs- und Bedürfnissystem des Gehirns, so Solms.

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