Hintergrund

Zehn Jahre nach Beginn des BSE-Skandals in Deutschland gibt es kaum noch erkrankte Tiere

Die Rinderkrankheit BSE ist Geschichte. Wesentlich dazu beigetragen hat das Verbot, Tiermehl aus Tierkadavern an Rinder zu verfüttern. 2009 wurde in Deutschland nur noch bei zwei Rindern BSE diagnostiziert.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Modell eines Prion-Dimers.

Modell eines Prion-Dimers.

© Vivien C. Yee/Cleveland Clinic Foundation

Fast ein Vierteljahrhundert ist es nun schon her, dass erstmals eine bisher etwa von Schafen bekannte infektiöse degenerative Nervenkrankheit, die spongiforme Enzephalopathie, auch bei Rindern diagnostiziert wurde: Das war 1986 bei einem Tier in Großbritannien.

"BSE" (bovine spongiforme Enzephalopathie) war geboren. Der Höhepunkt der Epidemie wurde 1992 verzeichnet. In dem Jahr erkrankten dort 37 000 Rinder, insgesamt waren es allein in Großbritannien bisher mehr als 180 000.

Im selben Jahr wurde der erste BSE-Fall in Deutschland registriert. Acht Jahre später, am 24. November 2000, war schließlich ein Test auf BSE sogar bei einem Rind positiv, das in Deutschland geboren wurde. Schon bald wurde auch die Prion-Struktur kristallografisch aufgeklärt (Nat Struct Biol 2001; 8: 770).

Ein bereits 1990 erarbeiteter Krisenreaktionsplan wurde ab 2000 umgesetzt, der den Umgang mit Rinderherden, in denen BSE entdeckt wurde, regelt. Dazu gehörte, dass nach Bestätigung einer BSE-Erkrankung in einem Rinderbestand alle Rinder des betroffenen Betriebes getötet werden.

Die Tierkadaver wurden in Tierkörper-Beseitigungsanlagen zu Tiermehl verarbeitet und dann das Tiermehl anschließend verbrannt. Gehirnmaterial aller getöteten Rinder wurde auf den Erreger von BSE untersucht - auf pathogene Prionen, also infektiöse Eiweißpartikel, die aus einer fehlgefalteten Form des körpereigenen Prionproteins bestehen.

Im Dezember 2000 wurde schließlich das Verfüttern proteinhaltiger Erzeugnisse, von Fetten aus dem Gewebe warmblütiger Landtiere und von Fischen an alle der Lebensmittelgewinnung dienenden landwirtschaftlichen Nutztiere verboten.

Denn epidemiologische Studien hatten zu dem Zeitpunkt den Zusammenhang zwischen der Verfütterung von Gewebe, das den BSE-Erreger enthält, und der Erkrankung der damit gefütterten Tiere belegt.

Vor einer Dekade wurde zudem festgelegt, dass während der Schlachtung jenes Gewebe entfernt und vernichtet wird, das als Risikomaterial eingestuft wird, etwa Gehirn, Augen und Rückenmark von Rindern, die über zwölf Monate alt sind, sowie die Wirbelsäule, einschließlich Spinalganglien bei Tieren, die älter als 30 Monate sind.

Und bei allen Rindern mussten von Anfang an die Mandeln, der Darm vom Duodenum bis zum Rektum sowie das Mesenterium als Risikomaterial behandelt und vernichtet werden.

In den beiden Folgejahren wurden noch jeweils mehr als 100 Rinder in Deutschland positiv auf BSE getestet - mit in den Jahren danach rasch fallender Tendenz. 2008 und 2009 waren es schließlich nur noch jeweils zwei BSE-Fälle. Amtlich bestätigt wurde BSE seit 2001 in Deutschland bei 406 Rindern.

Weil die Maßnahmen zur Eindämmung der BSE-Fälle in Deutschland erfolgreich waren, wurde hier das Alter der Tiere, bei denen amtliche Untersuchungen erforderlich sind, auf 48 Monate heraufgesetzt.

Die Zahl der Schnelltest-Untersuchungen bei Rindern sank von zuvor etwa vier Millionen 2009 auf weniger als zwei Millionen, wie das Nationale Referenz-Labor für BSE am Friedrich-Loeffler-Institut mitteilt.

Die BSE-Krise war begleitet von der Angst, durch Verzehr von infiziertem Fleisch an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) zu erkranken. Denn Mitte der 90er Jahre wurde in Großbritannien erstmals eine variante Form dieser neurodegenerativen Erkrankung beschrieben.

Jedes Jahr erkrankten in der Folge dort bis zu 28 - vorwiegend jüngere - Menschen an der vCJK. Bis November 2010 sind es insgesamt 170 vCJK-Erkrankte. Weltweit sind derzeit 219 vCJK-Fälle aus sieben europäischen Ländern und vier Ländern außerhalb Europas gemeldet worden - aus Deutschland kein einziger.

Die meisten Patienten sind inzwischen gestorben. Anfang des Jahres lebten noch vier vCJK-Patienten in Großbritannien und jeweils ein Patient in Italien und Saudi-Arabien.

Der Erreger der vCJK kann auch sekundär - wenn auch sehr selten -zwischen Menschen übertragen werden. Das lassen vier Erkrankungen durch Blut nach Transfusionen und eine Erkrankung nach Therapie mit einem Plasmapräparat vermuten. Auch wenn derzeit vCJK-Screeningtests erforscht werden, hält es das Paul-Ehrlich-Institut derzeit nicht für geboten, solche Tests einzuführen, unter anderen wegen der Seltenheit solcher Ereignisse.

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