Nocebo

Schlechte Nachrichten wirken stärker als gute

Ein missglücktes Patientengespräch kann die Genesung beeinträchtigen. Noceboeffekte beeinflussen körperliche Vorgänge, Psyche und Verhalten von Patienten stärker als Placebo.

Veröffentlicht:
Beim Patientengespräch gibt es einiges zu beachten.

Beim Patientengespräch gibt es einiges zu beachten.

© WavebreakmediaMicro / Fotolia.com

SOUTHAMPTON. Besonders häufig entwickeln sich Noceboeffekte offenbar dann, wenn die Kommunikation zwischen Arzt und Patient danebengeht.

Dr. Maddy Greville-Harris von der University of Southampton und Dr. Paul Dieppe von der University of Exeter Medical School haben diesen Aspekt in einem Review genauer unter die Lupe genommen (Am J Med 2014; online 15. September).

Neurobiologisch-psychologischen Modellen zufolge entstehen sowohl Placebo- als auch Noceboeffekte durch Konditionierung und Erwartungshaltungen.

Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient gelingt am besten, wenn Patienten ein Gefühl von Wertschätzung entgegengebracht wird. In dieser Atmosphäre fühlt sich ein Kranker akzeptiert und verstanden.

In Gesprächen ohne Sensibilität oder Einfühlsamkeit fühlt sich ein Kranker unverstanden und nicht ernst genommen.

Der durchschlagenden Kraft von Noceboeffekten sollten sich Ärzte bewusst sein, betonen Greville-Harris und Dieppe. Den starken Einfluss negativer Kommunikation verdeutlichen die Autoren an einem Experiment.

90 Probanden haben teilgenommen

90 Probanden mussten unter Druck Rechenaufgaben lösen. In einer Gruppe erhielten die Teilnehmer vom Versuchsleiter ausschließlich wertschätzende (validierende) Rückmeldungen, in der zweiten Gruppen negative (invalidierende) und in der dritten Gruppe gab es gar kein Feedback.

In der Invalidierungs-Gruppe herrschte im Vergleich mit den beiden anderen Gruppen signifikant mehr Aufregung, größere Unsicherheit, schlechtere Laune und eine geringere Bereitschaft, an Folgeversuchen teilzunehmen.

Zwischen der Validations- und der Placebogruppe dagegen war kein klarer Unterschied erkennbar.

Befunde aus einer Schmerzklinik bestätigen solche Effekte für den Medizinbetrieb. In aufgezeichneten Konsultationen zeigte sich der stärkste Effekt bei Patienten, deren Gesprächspartner eine invalidierende Haltung einnahmen.

 Diese Patienten fühlten sich abgelehnt und nicht ernst genommen. Nach dem Gespräch waren sie ärgerlich, hatten wenig Hoffnung und das Gefühl, sich für ihren Zustand rechtfertigen zu müssen.

Manche wollten sogar lieber auf bestimmte Ärzte oder Therapien verzichten. (ST)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kommentar: Achtung, Nocebo!

Mehr zum Thema

„ÄrzteTag“-Podcast

Was steckt hinter dem Alice-im-Wunderland-Syndrom, Dr. Jürgens?

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Nach Koronararterien-Bypass-Operation

Studie: Weniger postoperatives Delir durch kognitives Training

Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen