Neurogene Hypotonie

Therapie gegen Orthostase-Probleme

In einer Phase-III-Studie konnte der Wirkstoff Droxidopa eine orthostatische Hypotonie bei Parkinson und anderen neurodegenerativen Erkrankungen wirksam lindern und die Lebensqualität verbessern. Die Substanz ist inzwischen in den USA zugelassen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Eine orthostatische Hypotonie beeinträchtigt das Gehen und Stehen und erhöht damit die Sturzgefahr. Oft sind Verletzungen die Folge.

Eine orthostatische Hypotonie beeinträchtigt das Gehen und Stehen und erhöht damit die Sturzgefahr. Oft sind Verletzungen die Folge.

© Glenda Powers / fotolia.com

NEW YORK. Bei Parkinson, aber auch bei anderen neurodegenerativen Krankheiten führt der Tod noradrenerger Nervenzellen nicht selten auch zu einer orthostatischen Hypotonie, die das Gehen und Stehen sehr beeinträchtigt und die Sturzgefahr erhöht.

Als Therapieoption gilt neben dem Alpha-Sympathomimetikum Midodrin schon lange die Prodrug Droxidopa; sie wird im Körper sowohl peripher als auch zentral in Noradrenalin umgewandelt und kann das Neurotransmitterdefizit der Betroffenen etwas kompensieren.

In Japan bereits seit 1989 erhältlich

Droxidopa ist bereits seit 1989 in Japan zur Therapie bei neurogener orthostatischer Hypotonie erhältlich, für eine Zulassung in den USA und Europa fehlten bislang aber aussagekräftige klinische Studien. Diese Lücke hat nun ein Team um Dr. Horacio Kaufmann von der Universität in New York geschlossen (Neurology 2014; 83(4): 328-335).

Die Wissenschaftler konnten für ihre Phase-III-Studie zunächst 236 Betroffene gewinnen. Bei diesen wurde zunächst getestet, ob und bei welcher Dosis sie auf die Therapie ansprachen. Dazu bekamen sie den Wirkstoff zunächst in einer aufsteigenden Dosierung bis maximal 600 mg dreimal täglich.

Als Responder galten Patienten, die bei einem Orthostase-Test keine Schwindelgefühle, Benommenheit und Schwächezustände mehr spürten und dabei einen mindestens um 10 mmHg höheren systolischen Blutdruck zeigten als ohne Medikation.

Eine Voraussetzung war zudem, dass keine gefährlichen Blutdruckspitzen oder andere inakzeptablen Nebenwirkungen auftraten. Für die eigentliche Studie blieben dann noch 162 Patienten (62 Prozent) übrig.

Von diesen hatten 41 Prozent einen Morbus Parkinson, 33 Prozent eine reine Dysautonomie, 16 Prozent eine Multisystematrophie und 5 Prozent eine nicht-diabetische autonome Neuropathie.

Stärkste Verbesserungen im Stehen

Nach einer Auswaschphase erhielt nun die Hälfte der Patienten sieben Tage lang Droxidopa in der individuell optimalen Dosis (im Schnitt 400 mg dreimal täglich), die übrigen bekamen Placebo. Der Erfolg wurde mit einem speziellen Fragebogen gemessen, dem "Orthostatic Hypotension Questionnaire" (OHQ).

Dieser umfasst sowohl Fragen zu den Symptomen als auch zu deren Auswirkungen auf das tägliche Leben. Bei den Symptomen wurde nach Schwindel, Benommenheit, Sehstörungen, Schwäche, Fatigue und Konzentrationsproblemen beim Aufstehen oder Gehen gefragt. Bei den Auswirkungen sollten die Patienten angeben, welche Probleme sie beim kurz- und langfristigen Gehen und Stehen hatten.

Nach sieben Tagen war der OHQ-Gesamtwert in der Verumgruppe ausgehend von knapp 6 Punkten um 1,8 Punkte gesunken, in der Placebogruppe nur um 0,9 Punkte. Der Unterschied von 0,9 Punkten war statistisch signifikant.

Eine etwas geringere Differenz war zu beobachten, wenn nur der Symptom-Score des OHQ angeschaut wurde (0,7 Punkte), dagegen waren die Unterschiede beim Impact-Score mit knapp 1,1 Punkten deutlich größer - die empfundene Belastung durch die Symptome war also im Vergleich zu Placebo am stärksten zurückgegangen, am größten war der Effekt bei längerem Stehen.

Deutliche Unterschiede gab es auch beim Blutdruck im Stehen: Mit Droxidopa lag der systolische Druck im Schnitt um über 11 mmHg höher als vor Therapiebeginn, mit Placebo nur um knapp 4 mmHg.

Stürze waren seltener

Unerwünschte Wirkungen traten in der offenen Einstellungsphase bei etwa 38 Prozent auf, am häufigsten waren dies Kopfschmerzen, Benommenheit und Übelkeit. Palpitationen wurden von etwa 3 Prozent angegeben. Bei 5 Prozent der Patienten führten die Nebenwirkungen zum Therapieabbruch. Häufigste Gründe dafür waren Übelkeit und eine Hypertonie.

Öfter als mit dem Scheinmedikament kam es unter Droxidopa in der verblindeten Phase zu Kopfschmerz (7,4 versus 0 Prozent), Benommenheit (3,7 versus 1,2 Prozent) und Synkopen (2,5 versus 1,2 Prozent), dagegen traten Stürze seltener auf (0 versus 3,7 Prozent).

Insgesamt bescheinigen die Autoren Droxidopa eine klinisch bedeutsame Wirksamkeit bei neurogener orthostatischer Hypotonie. Im Februar wurde die Substanz in den USA in dieser Indikation zugelassen, sie wird von Chelsea Therapeutics vertrieben.

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