Kind mit Schädeltrauma

Besorgte Eltern kein Grund für CT

Bemerken Eltern ein abnormes Verhalten ihrer Kinder nach einem leichten Schädeltrauma, liefert dies zusammen mit anderen Faktoren einen Hinweis auf eine Hirnschädigung. Als einziger Faktor rechtfertigt die Beobachtung aber keine CT.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Besorgte Mutter mit Kind nach einem leichten Schädeltrauma in der Klinik: Wie lässt sich klären, ob ein klinisch relevantes SHT vorliegt?

Besorgte Mutter mit Kind nach einem leichten Schädeltrauma in der Klinik: Wie lässt sich klären, ob ein klinisch relevantes SHT vorliegt?

© Dron / fotolia.com

SACRAMENTO. Bei Kindern unter zwei Jahren mit leichten Schädelverletzungen ist es in der Notaufnahme nicht immer einfach, ein Hirntrauma zu erkennen oder auszuschließen, schließlich können die Kinder ihre Symptome nicht präzise artikulieren.

Neben der Anamnese, der Prüfung auf neurologische Defizite, einem veränderten Mentalstatus, tastbaren Schädelfrakturen, großen Hämatomen, Krampfanfällen oder kurzfristiger Bewusstlosigkeit können daher auch die Beobachtungen der Eltern relevant sein.

Vor allem Verhaltensauffälligkeiten nach einem Schädeltrauma werden immer wieder als Risikofaktoren für eine ernsthafte Hirnverletzung genannt, berichten Ärzte um Dr. Daniel K. Nishijima von der Universität in Sacramento (JAMA Pediatr. 2015; online 19. Oktober).

Die Notfallmediziner haben geschaut, wie verlässlich solche Beobachtungen der Eltern tatsächlich sind. Fazit: Ernst zu nehmen sind sie nur dann, wenn noch andere Faktoren für ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) sprechen, besorgte Eltern allein sind kein Grund für eine SHT-Diagnostik mittels CT.

Daten von 9700 Kindern analysiert

Das Team um Nishijima kommt zu diesem Schluss nach einer Analyse des US-Registers PECARN (Pediatric Emergency Care Applied Research Network). Darin fanden sie Daten von knapp 9700 Kindern unter zwei Jahren, die mit einem stumpfen Schädeltrauma in eine Notaufnahme gebracht wurden, aber höchstens eine leichte Bewusstseinsstörung hatten (Glasgow Coma Scale 14-15 Punkte).

Bei allen Kindern waren die Eltern gefragt worden, ob sich die Kinder nach der Schädelverletzung den Umständen entsprechend normal verhalten hatten. Bei knapp 1300 Kindern hatten die Eltern ein abnormes Verhalten beobachtet, bei 411 - also etwa jedem dritten Kind - fanden die Ärzte jedoch keine weiteren Hinweise auf ein SHT.

185 bekamen dennoch einen CT-Scan. Bei vier dieser Kinder (2,2 Prozent) ließ sich daraufhin ein SHT feststellen, aber nur eines der Kinder hatte ein klinisch relevantes SHT mit subarachnoidaler und subduraler Blutung.

Von einem klinisch relevanten SHT gingen die Ärzte aus, wenn ein neurochirurgischer Eingriff nötig wurde, eine Intubation erforderlich war oder die Kinder mindestens zwei Nächte aufgrund des SHT in der Klinik bleiben mussten. Insgesamt hatten also nur 0,2 Prozent aller Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten als alleinigem Risikofaktor auch tatsächlich ein klinisch relevantes SHT.

Risikofaktoren nach PECARN-Regeln

Etwas anders sah es aus, wenn die Ärzte bei der Anamnese und der Untersuchung in der Notaufnahme noch weitere Risikofaktoren nach den PECARN-Regeln feststellten. Dies war bei 886 Kindern mit abnormem Verhalten der Fall. Von diesen erhielten 674 (76 Prozent) eine CT.

Dabei offenbarte fast jede zehnte Aufnahme ein SHT und 3,3 Prozent (29 Kinder) zeigten ein klinisch relevantes SHT. Die Wahrscheinlichkeit sowohl für ein SHT als auch für eine klinisch relevante Form ist nach diesen Daten also um ein Vielfaches höher, wenn die Beobachtungen der Eltern nicht der einzige Hinweis sind.

Die meisten der Kinder (80 Prozent) mit klinisch relevantem Hirntrauma hatten jedoch zwei oder mehr SHT-Zeichen. Umgekehrt hatte etwa jedes siebte Kind (14,4 Prozent) mit zwei oder mehr Zeichen ein klinisch relevantes SHT, dagegen waren es nur 0,8 Prozent der Kinder mit nur einem SHT-Prädiktor.

Die Ärzte um Nishijima sehen diese Resultate als klare Unterstützung für das bisher empfohlene Vorgehen. Danach sollten Kinder mit Schädeltrauma auf keinen Fall eine CT bekommen, wenn lediglich die Eltern Verhaltensauffälligkeiten bemerkt haben wollen. Sie weisen darauf hin, dass bei Kleinkindern eine kraniale CT mit einem erheblichen Risiko für Tumoren einhergeht.

Dieses sei mitunter höher als das Risiko, eine klinisch relevante SHT zu übersehen. Statt der Bildgebung empfehlen die Ärzte in solchen Fällen, die Kinder lieber einige Zeit in der Notaufnahme zu behalten, um zu schauen, ob sie noch klinisch relevante SHT-Zeichen entwickeln.

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