Chronische Müdigkeit

Suizidrisiko erhöht?

Patienten, die an einem chronischen Müdigkeitssyndrom leiden, scheiden überdurchschnittlich häufig durch Suizid aus dem Leben. Darauf deutet eine britische Registerstudie hin.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Patienten mit chronischem Müdigkeitssyndrom, die irgendwann an Depressionen gelitten hatten, waren besonders suizidgefährdet.

Patienten mit chronischem Müdigkeitssyndrom, die irgendwann an Depressionen gelitten hatten, waren besonders suizidgefährdet.

© WavebreakmediaMicro / Fotolia.com

LONDON. Ein chronisches Müdigkeitssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome, CFS) kann vermutet werden, wenn Patienten seit mindestens sechs Monaten durch Müdigkeit und Erschöpfung in ihrem Alltag erheblich eingeschränkt sind, ohne dass sich dies durch eine somatische oder psychische Erkrankung (oder andere Lebensumstände) erklären ließe, und zusätzlich weitere Symptome wie Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Gelenkschmerzen oder druckschmerzhafte Lymphknoten bestehen.

Als Ursache der Beschwerden wird sowohl eine Schwächung als auch eine Überaktivierung des Immunsystems diskutiert. Die Mortalität scheint durch ein CFS insgesamt nicht erhöht zu werden, wie Ärzte vom Institut für Psychiatrie, Psychologie und Neurowissenschaften am King's College in London herausgefunden haben. Sie warnen jedoch vor einem möglicherweise gesteigerten Suizidrisiko.

Das Team um Emmert Roberts hat mittels Registerdaten 2147 CFS-Patienten über sieben Jahre verfolgt (Lancet 2016; 387: 1638-43). Bei allen Patienten waren somatische Ursachen ausgeschlossen, und das Vorliegen von CFS-Kriterien (Fukuda-, Oxford- oder NICE-Kriterien) war im semistrukturierten Interview bestätigt worden.

Von den anfangs im Mittel 39 Jahre alten Patienten starben 17 im Beobachtungszeitraum, elf von 1533 Frauen und sechs von 614 Männern. Acht Todesfälle waren durch Krebs verursacht, fünf Patienten hatten sich das Leben genommen.

Damit unterschied sich weder die Mortalität insgesamt noch die Krebsmortalität von den bei gleicher Alters- und Geschlechtsverteilung in der Gesamtbevölkerung zu erwartenden Sterberaten (standardisierte Mortalitätsrate, SMR 1,14; 95%-Konfidenzintervall 0,5-1,85 bzw. SMR 1,39, 95%-Konfidenzintervall 0,60-2,73). Ein signifikanter Anstieg wurde nur bei der Sterberate durch Suizid festgestellt (SMR 6,85; 95%-Konfidenzintervall 2,22-15,98).

CFS-Patienten, die irgendwann an einer Depression gelitten hatten, erwiesen sich als besonders suizidgefährdet. Der Zusammenhang zwischen CFS und Selbsttötung bestand aber unabhängig von einer Depression.

Die Ergebnisse beruhen auf kleinen Fallzahlen. Hätten sich zwei Suizide weniger ereignet, wäre die Assoziation nicht signifikant gewesen, wie die Studienautoren einräumen. Die SMR sei jedoch so stark erhöht, dass - trotz ungenauer Schätzung - ein reiner Zufallsbefund als "höchst unwahrscheinlich" gelten dürfe. Die suizidspezifische SMR liegt laut Roberts und Kollegen aber immer noch unter der von psychiatrischen Erkrankungen einschließlich affektiver Störungen und Alkoholabhängigkeit. Eine fachärztliche Abklärung der Suizidgefährdung bei CFS halten die Ärzte trotzdem für sinnvoll.

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