Scopolamin hilft offenbar schwer Depressiven

BETHESDA (mut). Einen starken antidepressiven Effekt des Alkaloids Scopolamin haben Ärzte aus Bethesda in den USA entdeckt. In einer Pilotstudie mit schwer Depressiven sprachen die meisten der Patienten auf die Therapie an. Bei der Hälfte verschwand die Depression.

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Aus Untersuchungen ist bekannt, daß Menschen mit bestimmten Veränderungen im Gen für den Muskarin-Rezeptor ein höheres Risiko für Depressionen haben.

Zudem gibt es Einzelfallberichte von Patienten, die bei einer Therapie mit dem antimuskarinerg wirkenden Scopolamin eine stimmungsaufhellende Wirkung spürten. Aus diesen Gründen haben US-Ärzte jetzt in einer Pilotstudie 18 schwer depressive Patienten mit Scopolamin behandelt (Arch Gen Psychiatry 63, 2006, 1121).

Die Patienten erhielten entweder zunächst Placebo und dann Scopolamin oder umgekehrt. Verabreicht wurden drei Infusionen mit 4 µg/kg Körpergewicht im Abstand von drei bis vier Tagen.

In der Gruppe, die mit Placebo begann, blieb der Wert auf der Montgomery-Asberg-Depression-Rating-Skala (MADRS) zunächst unverändert bei über 30 Punkten (schwere Depression), sankt dann mit Scopolamin auf unter 15 Punkte. In der Gruppe, die mit Scopolamin begann, fiel der Wert innerhalb einer Woche unter 15 Punkte und blieb dort nach Wechsel auf Placebo.

Insgesamt hatten elf der 18 Patienten auf Scopolamin angesprochen (Reduktion des MADRS-Werts um mindestens 50 Prozent). Bei neun kam es zur Remission (MADRS-Wert unter 10). Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen traten nicht auf, die meisten Patienten berichteten aber über Mundtrockenheit und leichte Sehstörungen.



STICHWORT

Scopolamin

Scopolamin ist ein Alkaloid, das in Nachtschattengewächsen wie Stechapfel und Engelstrompete vorkommt. Es wird aufgrund seiner antimuskarinergen Wirkung vor allem in der Augenheilkunde zur Pupillenerweiterung verwendet. Die Substanz wird auch als Antiemetikum verschrieben, etwa als transdermales Pflaster gegen Reiseübelkeit. Früher diente das Alkaloid auch zur Beruhigung hochagitierter psychisch Kranker. Das therapeutische Fenster des Wirkstoffs ist jedoch sehr eng, hohe Dosierungen können zu Halluzinationen und Delir führen. (eb)

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