Depression

Gleichstrom so gut wie SSRI

Per Gleichstromtherapie lassen sich Depressionen so gut lindern wie mit einem SSRI. Noch mehr steigt die Stimmung allerdings, wenn man beide Verfahren kombiniert.

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Spannend.

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© Marcus Führer / dpa

SãO PAULO. Da viele Depressive nicht ausreichend auf Medikamente ansprechen und manche weder synthetische Antidepressiva noch langwierige Gespräche beim Psychotherapeuten schätzen, stellt sich die Frage nach einfach anwendbaren und nebenwirkungsarmen Alternativen.

Vielversprechend sind hier die transkranielle Magnetstimulation, aber auch andere elektromagnetische Verfahren. So wurde in mehreren Studien die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) gegen Depressionen geprüft - allerdings mit unterschiedlichem Erfolg.

Ein Problem solcher Studien ist, dass Lokalisation, Dauer, Intensität und Frequenz der Stimulation oft sehr unterschiedlich sind - man muss offenbar erst einmal die wirksamste Anwendungsweise herausfinden.

Nun ist Forschern um Dr. Andre Brunoni aus São Paulo in Brasilien ein beachtlicher Erfolg gelungen. Sie konnten bei relativ schwer erkrankten Patienten - sie hatten im Schnitt ein Wert von 30 Punkten auf der Montgomery-Asberg-Skala (MADRS) - die Depression mindestens ebenso gut lindern wie mit dem SSRI Sertralin.

In der sechs Wochen dauernden Studie wurden 120 Patienten in vier Gruppen eingeteilt: Sie erhielten Sertralin (50 Milligramm pro Tag) oder Placebo in Kombination mit tDCS oder Scheinstimulation (JAMA Psychiatry 2013; online 6. Februar).

Bei der tDCS platzierten die Ärzte die Anode am Schädel über dem linken dorsolateralen präfrontalen Kortex, die Kathode über dem rechten. Die Idee dahinter: Bei Depressiven ist der linke dorsolaterale präfrontale Kortex hypoaktiv, der anodale Strom soll ihm auf die Sprünge helfen.

Stimuliert wurde mit zwei Milliampere für 30 Minuten an zehn aufeinanderfolgenden Tagen, gefolgt von zwei Sitzungen jede zweite Woche.

Bei der Scheinstimulation knipsten die Ärzte den Strom nach einer Minute aus, die Patienten bekamen dann wenigstens das anfängliche Kribbeln mit und hatten den Eindruck, richtig stimuliert zu werden.

Ansprechrate von über 60 Prozent

Die Ergebnisse: Mit der Kombination von Placebo und Scheinstimulation ging der MADRS-Wert innerhalb von sechs Wochen im Schnitt um sechs Punkte zurück, mit Sertralin und Scheinstimulation um knapp neun Punkte und mit tDCS und Placebo um fast elf Punkte.

Die tDCS war damit in dieser Studie sogar noch etwas wirksamer als die SSRI-Therapie, wenn auch nicht signifikant. Mit Abstand signifikant am wirksamsten war jedoch die Kombination beider Therapien: Hiermit ging der MADRS-Wert um 17,5 Punkte zurück und hatte sich damit mehr als halbiert.

Die Kombitherapie wirkte zudem sehr schnell: Bereits nach zwei Wochen war der MADRS-Wert um 15 Punkte gesunken. Insgesamt schien die Kombination beider Therapien einen additiven Effekt zu haben, schlussfolgern Brunoni und Mitarbeiter.

Dies übersetzt sich auch in hohe Ansprechraten, definiert als Halbierung des MADRS-Wertes: In der Placebo-Kombi lag diese Rate nach sechs Wochen nur bei 17 Prozent, mit Sertralin alleine bei 33 Prozent, mit tDCS alleine bei 43 Prozent und mit der aktiven Kombitherapie bei 63 Prozent.

Nur in den Gruppen mit tDCS sowie tDCS-Sertralin-Kombitherapie waren diese Raten signifikant von Placebo verschieden.

Ernsthafte Nebenwirkungen wurde nicht beobachtet, mit der tDCS kam es lediglich gehäuft zu Hautrötungen. Allerdings diagnostizierten die Ärzte in der Gruppe mit Kombitherapie bei fünf Patienten eine Hypomanie oder klinisch manifeste Manie.

Mit Sertralin alleine und mit tDCS alleine wurde nur jeweils ein hypomanischer Switch beobachtet - auch das deutet letztlich auf eine Überlegenheit der Kombitherapie.

Interessant war zudem, dass die Patienten mit den höchsten MADRS-Werten zu Therapiebeginn am besten auf die Kombitherapie ansprachen. Die "Augmentation" mit tDCS könnte also gerade für schwer Depressive oder solche mit Therapieresistenz von Bedeutung sein. (mut)

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