Depressionen

Sport hilft Herz und Psyche

Sport senkt bei Depressionen das Herz-Kreislauf-Risiko. Plus: Er wirkt sich positiv auf die Psyche aus. Deshalb wollen Hannoveraner Forscher ein strukturiertes Bewegungsprogram gezielt zur Behandlung einsetzen.

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Sport hilft gegen Depressionen auf verschiedenen Ebenen. Das haben Forscher aus Hannover nachgewiesen.

Sport hilft gegen Depressionen auf verschiedenen Ebenen. Das haben Forscher aus Hannover nachgewiesen.

© Stefan Schurr/Fotolia

HANNOVER. Depressionen sind eine Volkskrankheit. In Deutschland leiden vier bis fünf Millionen Menschen daran. Betroffene haben nicht nur ein erhöhtes Suizidrisiko, langfristig können Depressionen auch Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen, betont die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) in einer Mitteilung.

Noch dramatischer: "Depressionen sind daher ein genauso hohes Gesundheitsrisiko wie Rauchen, Fettleibigkeit und hoher Blutdruck", erklärt Professor Kai Kahl von der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie an der MHH.

Das Risiko lässt sich jedoch senken: Durch eine sechswöchige strukturierte Sporttherapie können depressive Patienten Herzfettgewebe reduzieren - und damit auch das Risiko für einen Herzinfarkt, wie jetzt eine interdisziplinäre MHH-Studie ergeben hat.

Depressionen lassen das Herz verfetten

Durch Depressionen kommt es zu endokrinen und immunologischen Umstellungen im Körper, die langfristig eine Zunahme des Herzfettgewebes begünstigen und damit das KHK-Risiko erhöhen, berichtet Kahl in der Mitteilung. Menschen mit Depressionen sind zudem häufig antriebslos und bewegen sich tendenziell eher wenig, was ebenfalls das Herz-Kreislauf-System belastet.

Strategien dagegen erforscht der Psychiater gemeinsam mit Kollegen des Instituts für Sportmedizin, der Klinik für Kardiologie und Angiologie und des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie. "Wir wollten herausfinden, ob man durch sportliche Maßnahmen die Herzgesundheit depressiver Patienten verbessern kann", betont Kahl.

An einer Studie des Teams nahmen 42 Patienten teil, die wegen Depressionen stationär in der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie behandelt wurden. Die Teilnehmer waren 40 bis 45 Jahre alt und wurden jeweils mit einer individuellen Psychotherapie sowie mit einer differenzierten Psychopharmakotherapie behandelt.

Eine Hälfte der Gruppe nahm zusätzlich an einer strukturierten Sporttherapie teil, die das Institut für Sportmedizin speziell für Patienten mit Depressionen entwickelt hat. Das Programm bestand aus einem sechswöchigen Gerätetraining für Kraft und Ausdauer mit drei 45-minütigen Einheiten pro Woche. Die Intensität wurde entsprechend der Herz-Kreislaufwerte und der Selbsteinschätzung der Patienten, langsam gesteigert. Sporttrainer standen den Patienten zur Seite.

Durch Sport: Bessere Blutwerte, weniger Herzfett und besseres Wohlbefinden

Zu Beginn des Trainings hatten die Patienten mit Depressionen im Mittel 1,5 Mal mehr Herzfett als psychisch gesunde Menschen. "Die Größe des Unterschieds hat uns sehr überrascht", sagt Kahl. Nach der sechswöchigen Sporttherapie hatten die Teilnehmer etwa zehn Prozent ihres Herzfetts verloren.

Weitere erfreuliche Effekte der Sporttherapie waren eine Verringerung des bei den Patienten überdurchschnittlich vorhandenen Bauchfetts, eine Verbesserung der HDL-Cholesterinwerte und eine verbesserte maximale Sauerstoffsättigung des Blutes. Ganz nebenbei wirkt sich die körperliche Betätigung auch positiv auf die Psyche aus.

"Die Studie zeigt, dass ein strukturiertes intensives Training ein guter Weg ist, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Herzinfarkt zu senken", erklärt Kahl. "Eine langfristige Veränderung des Lebensstils hin zu gezielter Bewegung kann die gesundheitliche Situation depressiver Patienten deutlich verbessern."

Der Psychiater freut sich darüber, dass alle Patienten aus der Sportgruppe das Programm beendeten und etwa ein Drittel auch danach freiwillig weitermacht. "Früher hieß es immer, depressive Patienten sind zum Sport kaum zu motivieren. Doch es kann klappen, wenn sie intensiv betreut werden und das Programm optimal auf sie zugeschnitten ist", betont Kahl

Der Arzt fordert: "Die Sporttherapie sollte bei der Behandlung depressiver Patienten grundsätzlich als dritte Säule zur psychotherapeutischen und medikamentösen Therapie hinzukommen." Kahl hofft, dass dieser Teil demnächst in die medizinischen Leitlinien für die Therapie bei Depressionen aufgenommen wird. (eb/eis)

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