Für jüngere Parkinson-Kranke gilt - L-Dopa so spät wie möglich!

Die Entscheidung, mit welcher Therapie begonnen werden sollte, hängt bei Parkinson maßgeblich vom Alter der Patienten ab. Jüngere Patienten sollten primär mit Dopaminagonisten behandelt werden sowie mit Amantadin, eventuell auch mit einem MAO-BHemmer. Bei über 70jährigen und bei Patienten mit schwerwiegenden Begleiterkrankungen wird meist bereits initial ein L-Dopa-Präparat eingesetzt.

Veröffentlicht:

Wolfgang Jost

Die Behandlung von Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom besteht immer aus nicht-medikamentösen und medikamentösen Therapiemaßnahmen. Eine Operation kommt nur bei wenigen Patienten in Frage und auch erst dann, wenn die Pharmakotherapie versagt hat. Die Entscheidung, mit welcher Therapie begonnen werden sollte oder wann welches Medikament eingesetzt wird, hängt von mehreren Parametern ab:

  • Alter des Patienten,
  • Ausprägung der Kardinalsymptome (Rigor, Ruhetremor und Haltungsinstabilität),
  • Schwere der Symptomatik,
  • Dauer und Progredienz der Erkrankung,
  • persönliche Situation des Patienten,
  • Begleiterkrankungen und -medikation sowie
  • Verträglichkeit der Medikamente.

Patienten im Alter unter 50 Jahren

Bei jungen Parkinson-Kranken, also Patienten unter 50 Jahren, ist im Krankheitsverlauf am ehesten mit motorischen Spätkomplikationen zu rechnen. Deshalb sollte auf jeden Fall die Therapie mit L-Dopa so lange wie möglich hinausgeschoben werden. Die Patienten sollten primär mit Dopaminagonisten behandelt werden sowie mit Amantadin, eventuell auch mit einem MAO-B-Hemmer wie Selegilin (etwa Movergan®, Xylopar®) oder Rasagilin (Azilect®). Bei Tremor ist Budipin (Parkinsan®) eine Option.

Die am meisten verordneten Dopaminagonisten sind Cabergolin (Cabaseril®), Pramipexol (Sifrol®) und Ropinirol (ReQuip®). Cabergolin, eine ergoline Substanz, hat eine sehr lange Halbwertszeit von 65 Stunden, was für eine kontinuierliche Rezeptorstimulation sorgt. Von Vorteil sind die einmal tägliche Einnahme und die einfache Aufdosierung.

Pramipexol und Ropinirol sind non-ergoline Substanzen, die dreimal täglich eingenommen werden. Im Vergleich zu den ergolinen Dopaminagonisten haben sie ein günstigeres Nebenwirkungsprofil.

Empfehlungen für die Ersttherapie bei Parkinson-Syndrom

Nicht-medikamentöse Therapie

  • Aufklärung und Beratung
  • Hilfsmittel
  • Physiotherapie
  • Ernährung
  • Ergotherapie und Logopädie
  • Sonstige nicht-medikamentöse Therapie, zum Beispiel Nordic Walking, Entspannungsübungen

Pharmakotherapie

  • Mittel der 1. Wahl: Dopaminagonisten
  • Amantadin (evtl. in Kombination mit Dopaminagonisten)
  • Budipin (bei Tremor)
  • MAO-B-Hemmer (bei leichter Symptomatik oder in Kombination mit L-Dopa)
  • L-Dopa (nur wenn keine ausreichende Wirkung mit den vorgenannten Medikamenten)

Wichtiger Therapiebestandteil sind nicht-medikamentöse Maßnahmen.

Bevor L-Dopa eingesetzt wird, sollte an eine Kombinationstherapie der genannten Substanzen gedacht werden, zum Beispiel Dopaminagonist plus Amantadin (etwa PK-Merz®).

Patienten unter 70 Jahren und ohne relevante Begleiterkrankungen

Bei Patienten in einem frühen Parkinson-Stadium, im erwerbsfähigen Alter und ohne relevante Begleiterkrankungen sind Dopaminagonisten die Mittel der ersten Wahl. Läßt sich damit keine ausreichende Symptomkontrolle erreichen, sollte eine Kombinationstherapie mit Amantadin, Budipin oder einem MAO-B-Hemmer in Erwägung gezogen werden.

Erst bei unzureichendem Effekt dieser Substanzen sollte mit einer L-Dopa-Therapie zusätzlich zum Dopaminagonisten begonnen werden - und zwar so niedrig dosiert wie möglich. Ziel bei dieser Vorgehensweise ist auch, motorische Spätkomplikationen zu vermeiden.

Bei der dopaminergen Medikation sollte der Dopaminagonist überwiegen. Generell wird empfohlen, L-Dopa (etwa Madopar®) möglichst nicht höher als 400 bis 600 mg / Tag zu dosieren. Als dritte Substanz in der Kombinationstherapie hat sich der NMDA-Rezeptor-Antagonist Amantadin bewährt. Durch die Zugabe eines COMT-Hemmers wie Entacapon (Comtess®) oder Tolcapon (Tasmar®) oder eines MAO-B-Hemmers kann L-Dopa eingespart werden.

Bei Patienten mit Parkinson-Syndrom vom Tremordominanz-Typ läßt sich der Tremor meist schon mit einem Dopaminagonisten deutlich vermindern. Außerdem hat sich bei diesen Patienten Budipin bewährt. Dieses Medikament sollte immer in ausreichend hoher Dosierung (30 bis 60 mg / Tag) angewandt werden, die Wirksamkeit kann nach etwa vier bis sechs Wochen beurteilt werden.

Anticholinergika sind nur bei einigen Patienten indiziert, zum Beispiel bei jungen Patienten mit reinem Tremor. Besonders gut mindert Clozapin (etwa Leponex®, Elcrit®) den Tremor. Allerdings sind bei dieser Therapie regelmäßige Blutbildkontrollen, wegen der Gefahr einer Granulozytopenie oder Agranulozytose, notwendig.

Patienten über 70 Jahre und Patienten mit Begleiterkrankungen

Bei über 70jährigen Patienten und bei Patienten mit schwerwiegenden Begleiterkrankungen wird meist bereits initial ein L-Dopa-Präparat eingesetzt. Wegen der möglichen unerwünschten Wirkungen der anderen Parkinson-Medikamente wird man auch eher eine L-Dopa-Monotherapie wählen. Jedoch muß immer individuell entschieden werden. Eine generelle Altersgrenze für eine L-Dopa-Monotherapie gibt es nicht.

Treten motorische Spätkomplikationen auf, ist eine Kombinationstherapie notwendig, wobei L-Dopa das führende Medikament sein wird. Nur bei Patienten mit erheblichen Begleiterkrankungen kann eine Kombinationstherapie problematisch sein. Bei manchen Begleiterkrankungen kann L-Dopa unter Umständen kontraindiziert sein.

Patienten mit motorischen Spätkomplikationen

Bei den meisten Parkinson-Kranken kommt es im Verlauf der Erkrankung zu motorischen Spätkomplikationen. Deshalb wird L-Dopa erst eingesetzt, wenn mit anderen Medikamenten, vor allem Dopaminagonisten, keine ausreichende Symptomverminderung mehr gelingt. Wird L-Dopa notwendig, sollte die Dosis 600 bis 800 mg täglich nicht überschreiten, wobei man mit anderen Substanzen kombiniert.

Bei Patienten mit End-of-dose-Akinesien werden außer den Dopaminagonisten auch COMT- und MAO-B-Hemmer eingesetzt, um die Wirkdauer von L-Dopa zu verlängern. Treten Dyskinesien auf, wird die L-Dopa-Dosis nach Möglichkeit reduziert und die Dosis fraktioniert verabreicht. Hier hat sich der zusätzliche Einsatz von Amantadin bewährt.

Prof. Dr. Wolfgang Jost, Fachbereich Neurologie, Deutsche Klinik für Diagnostik, Aukammallee 33, 65191 Wiesbaden, Tel.: 0611 / 577430, Fax: 577311, E-Mail: jost.neuro@dkd-wiesbaden.de

Therapie-Spektrum ist breiter geworden

In den letzten Jahren sind die Therapieoptionen für Parkinson-Kranke durch neue Medikamente erweitert worden.

L-Dopa: Eine neue, seit Herbst vergangenen Jahres in Deutschland erhältliche neue L-Dopa-Formulierung ist Duodopa®. Dabei handelt es sich um eine Gelsuspension aus Levodopa / Carbidopa, die über eine PEG-Sonde (perkutane endoskopische Gastrostomie) in das Duodenum appliziert wird. Damit wird eine kontinuierliche Gabe erreicht.

Das System ist für Patienten mit fortgeschrittenem Parkinson-Syndrom zugelassen, bei denen die orale Medikation nicht mehr zum gewünschten Erfolg führt. Die Therapiekosten liegen hier jedoch einiges höher als die der oralen Medikation.

COMT-Hemmer: Seit Anfang 2005 ist auch Tolcapon (Tasmar®) wieder zugelassen. Jedoch besteht die Auflage, es nur dann einzusetzen, wenn Entacapon nicht ausreichend wirkt. Zudem müssen die Leberwerte regelmäßig kontrolliert werden.

Eine sinnvolle Erweiterung der Therapie ist die sogenannte Triple-Tablette Stalevo®. Hier können Entacapon in einer fixen Kombination mit L-Dopa und dem Decarboxylasehemmer Carbidopa in einer Tablette eingenommen werden.

MAO-B-Hemmer: Seit September steht mit Rasagilin (Azilect®) ein neuer MAO-B-Hemmer zur Verfügung, der für die Mono- und Kombinationstherapie zugelassen ist. Das Präparat wird nur einmal täglich eingenommen. Wird es in der Kombinationstherapie mit L-Dopa angewandt, kann die L-Dopa-Dosis in ähnlichem Ausmaß vermindert werden wie mit COMT-Hemmern.

Dopaminagonisten: Im nächsten Jahr wird mit der Zulassung des ersten transdermal wirksamen Dopaminagonisten - Rotigotin - gerechnet. Damit werden stabile Wirkstoffspiegel erreicht. Das Pflaster braucht nur einmal täglich gewechselt zu werden. Die nicht-ergoline Substanz ist vor allem bei Patienten mit Schluckstörungen eine Option.

Nur zur Injektion ist Apomorphin (Apo-Go®) zugelassen. Die Applikation erfolgt subkutan entweder als Pen oder über eine Pumpe. Apomorphin ist für Patienten mit starken motorischen Fluktuationen (On-Off-Phänomene) zugelassen. (Jost)

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