Parkinson

Hinweise auf Prionerkrankung verdichten sich

Schon länger gibt es den Verdacht, dass Parkinson - ähnlich wie die Creutzfeld-Jakob-Krankheit - durch die Ausbreitung infektiöser Proteine im Gehirn verursacht wird. Neue Erkenntnisse verschaffen dieser Theorie jetzt Auftrieb.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Forscher sind den Ursachen von Multisystematrophie und Parkinson auf der Spur.

Forscher sind den Ursachen von Multisystematrophie und Parkinson auf der Spur.

© psdesign1/fotolia.com

NEU-ISENBURG. Schon lange hält sich unter Hirnforschern der Verdacht, dass einige, wenn nicht die meisten neurodegenerativen Erkrankungen durch fehlgefaltete Proteine verursacht werden, die sich wie Krankheitserreger im Gehirn ausbreiten und dabei ihresgleichen in eine pathogene Form zwingen.

Nach dieser Hypothese verklumpen solche Proteine dabei auch zu unlöslichen Aggregaten. Eindeutig nachgewiesen ist dieser Mechanismus bislang nur für die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJK) beim Menschen und diverse spongiforme Enzephalitiden wie BSE und Scrapie im Tierreich.

Für die Entdeckung dieses Mechanismus hat der US-amerikanische Biochemiker und Arzt Professor Stanley Prusiner 1997 den Medizinnobelpreis bekommen.

Nun behauptet Prusiner, die Multisystematrophie (MSA) und möglicherweise auch Morbus Parkinson würden durch einen Prion-ähnlichen Prozess verursacht: Bei beiden Erkrankungen scheinen sich infektiöse Alpha-Synuclein-Proteine im Gehirn auszubreiten.

MSA von Menschen auf Mäuse übertragen

Der Nobelpreisträger zählt schon lange zu den Verfechtern der Prionhypothese bei neurodegenerativen Erkrankungen. So gibt es in der Tat viele Gemeinsamkeiten zwischen Morbus-Alzheimer, Synucleinopathien wie MSA und Parkinson und klassischen Prionerkrankungen wie CJK und BSE.

Zum einen handelt es sich um Krankheiten, bei denen verklumpte Proteine im Mittelpunkt stehen, zum anderen scheinen die Aggregationsprozesse von bestimmten Zentren im Hirn auszugehen und sich langsam auf andere Bereiche auszudehnen.

Der deutsche Neuroanatom Professor Heiko Braak und andere Forscher konnten schon vor längerer Zeit belegen, dass sich Alpha-Synuclein-Aggregate bei Parkinson über das enterale und limbische Nervensystem schließlich in motorische Bereiche ausbreiten.

Immer wieder wird daher der Verdacht geäußert, dass Parkinson letztlich im Darm entsteht, was das erhöhte Erkrankungsrisiko durch eine Reihe von Toxinen erklären würde.

Bislang fehlte aber noch der Beweis, dass Alpha-Synuclein, wie es bei Morbus Parkinson und MSA verklumpt, tatsächlich auch infektiös ist. Dieser Nachweis ist Prusiner nun zumindest für das fehlgefaltete Alpha-Synuclein bei MSA gelungen.

Vorausgegangen waren durchweg fehlgeschlagene Versuche, solche Krankheiten auf Tiere zu übertragen, indem man ihnen püriertes Gehirn von verstorbenen menschlichen Patienten mit neurodegenerativen Krankheiten ins ZNS injizierte.

Inzwischen weiß man jedoch, dass es sehr schwierig ist, Prionerkrankungen von einer Spezies auf eine andere zu übertragen - die Proteine unterscheiden sich doch zu sehr.

Aus diesem Grund haben die Forscher um Prusiner spezielle Mausmodelle entwickelt. Die Tiere verfügen über ein menschliches Alpha-Synuclein-Gen, und zwar eines mit der Punktmutation A53T. Diese Mutation löst bei Menschen eine familiäre Form von Parkinson aus, das A53T-Synuclein aggregiert offenbar besonders leicht.

Solchen Tieren hatten die Wissenschaftler bereits vor zwei Jahren Hirnproben von Parkinsonpatienten intrazerebral injiziert - ohne dass die Tiere davon krank wurden.

Als sie jedoch Material von zwei MSA-Patienten verwendeten, begann das Alpha-Synuclein der Mäuse zu verklumpen. Nun lässt sich daraus nicht viel schließen, die beiden Erkrankungen hätten auch zufällig entstehen oder durch Verunreinigungen erzeugt werden können.

Drei bis sechs Monate Inkubationszeit

In ihrer aktuellen Arbeit haben die Forscher um Prusiner daher die Experimente mit zwölf weiteren Proben von Patienten mit MSA und sechs mit Parkinson wiederholt. Bei allen war die Diagnose nach dem Tod neuropathologisch bestätigt worden, bei allen wurde das Alpha-Synuclein-Gen auf krankheitsauslösende Mutationen hin untersucht.

Die Forscher fanden jedoch keine bekannten Mutationen, sodass in allen Fällen von sporadischen Erkrankungen ausgegangen werden konnte.

Inokulierten sie damit nun die genveränderten Mäuse, so entwickelten alle Mäuse mit Homogenisat von MSA-Patienten innerhalb von 100 bis 150 Tagen Bewegungsstörungen und starben später an der Erkrankung. Dies war auch dann der Fall, wenn sie den Tieren die Proben nicht intrakraniell, sondern intramuskulär injizierten.

Übertrugen die Forscher nun Hirnhomogenisate von erkrankten Mäusen auf gesunde Artgenossen mit dem mutierten Gen, so konnten sie die Krankheit mit vergleichbaren Inkubationszeiten erneut übertragen. Dagegen verhielten sich Mäuse mit Proben von Parkinsonpatienten oder von hirngesunden Personen auch noch nach über einem Jahr völlig normal.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen die Forscher, wenn sie menschliche Zellkulturen traktierten, die das mutierte Alpha-Synuclein-Protein exprimierten. Auch hier verklumpte Alpha-Synuclein nur in solchen Kulturen, die mit Proben von MSA-Patienten geimpft wurden.

Sowohl in normalen Mäusen als auch in Mäusen mit nicht mutiertem menschlichen Alpha-Synuclein-Gen konnten die MSA-Proben hingegen keine Bewegungsstörung verursachen.

Die Parkinson-Mutation war wohl erforderlich, damit eine Infektion erfolgen konnte. Entscheidend sei aber letztlich, dass sämtliche MSA-Proben in diesem Modell pathogen wirkten und offenkundig die Eigenschaften hätten, sich in der geeigneten Umgebung prionenartig im Gehirn auszubreiten, berichten die Forscher.

Für die Forscher ist der Beweis erbracht

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus den Experimenten? Für Prusiner und Mitarbeiter ist nun der Beweis erbracht, dass MSA eine Prionerkrankung ist. Es wäre neben CJK die zweite, die bei Menschen entdeckt wurde.

Da Mutationen bei MSA ebenso wie bei CJK bisher selten als Auslöser hätten identifiziert werden können, sei davon auszugehen, dass sich die veränderten Proteine in der Regel spontan bildeten. Die Forscher aus San Francisco vermuten zudem, dass auch Parkinson eine Prionerkrankung ist, hier müssten allerdings noch geeignete Tiermodelle gefunden werden.

Offenbar gebe es unterschiedliche Stämme von Alpha-Synuclein-Prionen, und nicht jeder Stamm funktioniere in den Mäusen mit der A53T-Mutation. Der Beweis, dass auch Parkinson übertragbar ist, steht allerdings noch aus.Generell sollte jedoch vorsichtig mit Hirnproben von Parkinson- oder MSA-Patienten umgegangen werden, warnen Prusiner und sein Team.

Auch Elektroden, die man bei einem Patienten zur Hirnstimulation verwendet hat, dürften nun nicht mehr bei anderen eingesetzt werden, da sonst die Gefahr einer Übertragung bestehe. Schließlich sei es nötig, gezielt Medikamente gegen die Alpha-Synuclein-Transformation und -Aggregation zu entwickeln. Diese könnten dann bei einer ganzen Reihe von Synucleopathien wirken.

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