Parkinson-Patienten

Tipps zur Therapie bei Blasenfunktionsstörungen

Bei Patienten mit Parkinson oder Multisystematrophie richtet sich die Therapie neurogener Blasenfunktionsstörungen nach den individuellen neurologischen Einschränkungen und Symptomen. Nebenwirkungsprofil und Krankheitsprogress müssen dabei berücksichtigt werden.

Von Dr. Christine Starostzik Veröffentlicht:
Nykturie: Eine Detrusorüberaktivität ist die häufigste Blasenfunktionsstörung bei Parkinson.

Nykturie: Eine Detrusorüberaktivität ist die häufigste Blasenfunktionsstörung bei Parkinson.

© Anyka/fotolia.com

MÜNCHEN. Blasenfunktionsstörungen sind bei Patienten mit Morbus Parkinson (MP) oder Multisystematrophie (MSA) häufig. Zahlreichen Studien zufolge leiden 27 bis 71 Prozent der Parkinsonkranken und 78 bis 96 Prozent der Patienten mit MSA unter Funktionsstörungen des unteren Harntrakts.

Dabei nimmt die Häufigkeit der Begleiterscheinungen an der Blase offenbar mit der Schwere der Erkrankungen und dem Ausmaß der neurologischen Einschränkungen zu.

Da MP und MSA typischerweise erst nach dem 50. Lebensjahr auftreten, kommen häufig altersbedingte Komorbiditäten hinzu, die zusätzlich Einfluss auf Blasenfunktion und Kontinenz haben.

Als häufigste Blasenfunktionsstörung bei Parkinson-Patienten wird eine Detrusorüberaktivität (45 bis 93 Prozent) mit Symptomen wie Pollakisurie, Nykturie und imperativem Harndrang bis hin zur Dranginkontinenz beschrieben.

Die komplexen Therapieregime der MP-Patienten aus Dopaminrezeptoragonisten, L-Dopa und weiteren neurotropen Substanzen haben meist einen positiven Einfluss auf die Blasenfüll- und Entleerungsphasen. Es wurden allerdings auch gegenteilige Wirkungen beobachtet (Uro-News 2016; 20: 2426).

Erstlinie mit Anticholinergika

Die Therapieoptionen bei neurogenen Blasenfunktionsstörungen unterscheiden sich nicht allzu sehr von denen bei nicht neurogenen. Allerdings richtet sich die Indikationsstellung stärker nach individuellen neurologischen Einschränkungen und Symptomen sowie urodynamischen Befunden.

Liegt eine Detrusorüberaktivität infolge eines MP oder einer MSA vor, werden nach einem Behandlungsversuch mit Blasentraining zur medikamentösen Behandlung in erster Linie Anticholinergika herangezogen, so die Empfehlungen in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

Wegen der bekannten Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Obstipation, Schwindel und Akkomodationsstörungen ist es wichtig, Nutzen und Risiken gut gegeneinander abzuwägen.

Zu den klassischen antimuskarinergen Wirkstoffen gehören Trospiumchlorid, Propiverin, Tolterodin und Oxybutynin, wobei allerdings für Letzteres negative Effekte auf die kognitive Funktion bei Parkinson-Patienten beschrieben wurden.

Die M3-selektiven Antimuskarinika Solifenacin und Darifenacin haben keine Zulassung für die Therapie der neurogenen Detrusorhyperaktivität, werden aber off-label häufig verwendet.

Bei ausgeprägter Symptomatik kommen sie auch zusätzlich zu einem weiteren Antimuskarinikum oder als individuelle Doppeldosierung zum Einsatz.

Dabei müssen die allgemeine Verträglichkeit geprüft und das Nebenwirkungsprofil, insbesondere im Hinblick auf das ZNS, beachtet werden.

Bestehen bereits Einschränkungen der Gedächtnisleistung und Verwirrtheit, raten Experten zu Trospiumchlorid als quartärem Amin.

Die wirksame und nebenwirkungsarme intravesikale Applikation von Oxybutynin ist vor allem für Patienten mit etabliertem intermittierendem Selbstkatheterismus (ISK) geeignet.

Da eine bestehende Restharnbildung durch Anticholinergika verstärkt werden kann, ist in solchen Fällen die Etablierung des ISK zu erwägen, sofern der Patient dazu in der Lage ist. Bei neurogener Harnblasenentleerungsstörung gilt die ISK als Goldstandard zur selbstständigen restharnfreien Entleerung der Harnblase.

Weitere Therapieoptionen

Bei Unverträglichkeiten oder Therapieresistenz gegenüber anticholinergen Medikamenten kann bei Harnblasenüberaktivität Botulinumtoxin A in den Detrusor injiziert werden, was eine chemische Blasendenervierung bewirkt.

Voraussetzung ist, dass der Patient eine saubere Selbstkatheterisierung durchführen kann, da die willkürliche Blasenentleerung möglicherweise nicht mehr oder nicht mehr vollständig gelingt, heißt es in der DGN-Leitlinie.

Erste Studien mit Parkinsonpatienten zeigen auch gute Erfolge der sakralen Neuromodulation. Dabei wird ein Generator am Kreuzbein implantiert, den der Patient per Handfernbedienung steuern und damit das Wasserlassen beeinflussen kann.

 Das Verfahren ist sowohl bei Harnretention als auch bei Detrusorüberaktivität wirksam. Als Ultima Ratio gilt schließlich die operative Therapie zur Senkung des Blasendruckes.

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