Für frühe Diagnose

Die unscheinbaren Vorboten von Parkinson

Parkinson lässt sich früher aufspüren, wenn Ärzte auf bestimmte Anzeichen achten. Oft werden diese aber nicht mit der schleichenden Krankheit in Verbindung gebracht.

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Mit neuen Erkenntnissen kann Parkinson bereits früh in der prodromalen Phasen erkannt werden.

Mit neuen Erkenntnissen kann Parkinson bereits früh in der prodromalen Phasen erkannt werden.

© Ocskay Mark / Fotolia

KOPENHAGEN. Die Pathologie, die der Parkinson-Erkrankung zugrunde liegt, beginnt lange vor der eigentlichen klinischen Diagnose.

Immer mehr Untersuchungen zeigen, dass eine Reihe von Symptomen zum Teil bereits viele Jahre vor der nachweisbaren Degeneration von Nervenzellen und den typischen motorischen Störungen auftreten, heißt es in einer Mitteilung der European Academy of Neurology (EAN).

Dazu gehören etwa ein gestörter Geruchsinn, Verstopfung, Schwindel oder Harnentleerungsstörungen.

Auch eine besondere Form von schlaf-assoziierten Störungen - die REM-Schlaf-Verhaltensstörung - zählt dazu. Bei Gesunden ist in dieser Schlafphase ja die Motorik gehemmt, die von dieser Störung Betroffenen leben ihr Traumgeschehen jedoch körperlich aus.

Eine beim EAN-Kongress in Kopenhagen präsentierte französische Studie mit rund 40 Parkinson-Patienten zeigt etwa, dass die Erkrankten eine deutlich schwächere Atemleistung aufwiesen als Gesunde.

In der Frühphase der Erkrankung scheint also die Muskulatur beeinträchtigt zu sein, die am Einatmen beteiligt ist.

Fast jeder Fünfte ist geruchsblind

In einer ebenfalls auf dem Kongress vorgestellten italienischen Studie untersuchten Forscher, wie es um die Riechleistung von Parkinson-Patienten in einem sehr frühen, noch unbehandelten Stadium bestellt ist und verglichen diese mit dem Geruchsinn einer gesunden, gleichaltrigen Kontrollgruppe.

Dass die Kontrollgruppe mehr roch, dürfte mit einer besseren kortikalen Verbindung zum Nucleus caudatus zusammenhängen, der als Teil der Basalganglien für die Kontrolle willkürlicher Bewegungen mitverantwortlich ist.

Auch eine russische Studie mit 104 Patienten hat gezeigt, wie verbreitet Riechstörungen im Fall von Parkinson sind: Acht von zehn Teilnehmern litten unter einem teilweisen Verlust des Geruchssinns, fast jeder Fünfte war völlig geruchsblind und nur zwei Personen zeigten keine Riechstörung.

Nicht nur hinsichtlich Risikomarker gibt es neue Einsichten: Mit dem Protein alpha-Synuclein scheint inzwischen auch ein entscheidender Faktor im Krankheitsgeschehen identifiziert worden zu sein.

"Die Verklumpung des Eiweiß alpha-Synuclein im Gehirn spielt eine entscheidende Rolle, und das Schädigungsmuster wird offenbar von Zelle zu Zelle weitergegeben - eine Kettenreaktion, die durch künftige Therapien gestoppt oder zumindest verzögert werden sollte", wird EAN-Präsident Professor Günther Deuschl in der Mitteilung zitiert.

Darmbiopsie zur Früherkennung?

Hier gebe es zunehmend Hinweise darauf, dass die pathologischen Veränderungen nicht nur im Gehirn vorhanden sind, sondern auch in anderen Nervenzellen, zum Beispiel im Darm, und möglicherweise von dort in das Gehirn "wandern". Auch in den Nerven der Haut oder der Speicheldrüsen lassen sich die charakteristischen Protein-Schädigungen zeigen.

"Auch diese neuen Einsichten eröffnen andere Ansätze für die Früherkennung und Therapie von Parkinson. So wird derzeit etwa intensiv untersucht, ob eine sichere Frühdiagnose der Erkrankung durch eine Biopsie der Nerven im Darm, den Speicheldrüsen oder der Haut möglich ist", sagt Deuschl.

Neue Kriterien für die prodromale Phase

Einen wichtigen Fortschritt in Bezug auf die Früherkennung ist die Definition von Diagnose-Kriterien für die prodromale Phase der Parkinson-Krankheit.

"Die Kriterien wurden vor kurzem von der Movement Disorder Society veröffentlicht. Zum einen sollte damit die klinische Forschung standardisiert, zum anderen die Diagnostik unterstützt werden", so Deuschl.

Ausgangspunkt ist die altersentsprechende Wahrscheinlichkeit des Individuums, die Erkrankung zu bekommen (Lancet Neurol 2016; 15: 546-548). Danach werden so viele diagnostische Informationen wie möglich gesammelt und ebenfalls mathematisch nach einem Wahrscheinlichkeitsquotienten bewertet.

Das können Umwelt-Risiken sein wie Rauchen oder Koffeinkonsum, genetische Faktoren, die Ergebnisse von Biomarker-Tests oder prodromale Symptome wie Verstopfung oder Geruchsstörungen.

So können Risikofaktoren in negativer aber auch positiver Richtung in die Bewertung eingehen. "Dieses System der Risikobewertung kann jederzeit erweitert werden, wenn neue Tests zur Früherkennung dazukommen", so Deuschl. (eb)

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